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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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sollte. – – – –

DRITTES KAPITEL
Die Goldene Squaw
    An dieser Stelle muß ich dem Leser ein Geständnis machen.
    Wem meine eben beschriebenen, aus der Hüfte gejagten Meisterschüsse allzu abenteuerlich erscheinen, der hat natürlich recht, mir allein wäre eine solche Großtat nicht möglich gewesen. »Mir allein«, sage ich, obwohl ich mich kenne und weiß, was ich vermag ; oft genug habe ich bewiesen, wie kaltblütig ich in gewissen Situationen zu schießen und zu treffen weiß.
    Indes, bei der geschilderten Leistung war mir Hilfe zuteil geworden. Ich will dies ohne Umschweife eingestehen; ja, ich hatte Unterstützung gefunden, als ich dort oben, am Treppengeländer im Boarding House, stand und feuern mußte, obwohl es mir kaum möglich war, die Unholde richtig anzuvisieren – und doch schoß ich, schoß einmal, zweimal, dreimal, und immer traf ich ins Ziel.
    Wie das möglich war?
    Man erinnere sich der Schilderung meines »Adlerauges«. Dieses war es gewesen, welches mich kurz zuvor nicht nur das Bärenmesser hatte examinieren lassen. Distanz und Lichtverhältnissen gespottet, erkannte ich nämlich rund um die Kampfstätte eine weitere Besonderheit. Durch eines der Fenster in der Wirtsstube und trotz der Dunkelheit, die draußen herrschte, aber auch trotz der Anspannung, alles blitzschnell zu erfassen, war mir der Schemen einer Gestalt, die ihrerseits in die Stube hereinspähte, nicht entgangen. Für höchstens eine Sekunde sah ich einen samtschwarzen Schopf, ein Paar dunkle, kriegerisch und doch unfaßbar weise blickende Augen, und ich sah eine Stirn, hinter der die freiesten,
nobelsten Gedanken wohnten – Winnetou, mein lieber, lieber Winnetou!
    Keinem anderen im Raume und gewiß auch nicht auf der Straße hatte er, der Wunderbare, sich sichtbar gemacht, nur mir wollte er anzeigen, daß er bereits in der Stadt sei, wie zwischen uns vereinbart. Es glaube bitte niemand, ein solch einzigartiger Mann wie der Apachenhäuptling berechne nicht, wem er sich zu welcher Gelegenheit zeige. Bei mir, seinem Blutsbruder, durfte er darauf bauen, daß ich nicht gerade meine Nase putzte, wenn er durch die Scheibe lugte, und wenn es nur für die Zeit eines Wimpernschlages war. Indes schien er zwar zu wissen, daß ich mich in dem Gasthause befand, kaum aber, wo darin genau. Aber das war auch nicht nötig. Immer erahnten wir einander mehr, als daß wir uns sahen; wie hätten wir es sonst vermocht, jeweils über lange Zeit getrennt zu sein?
    In jenem Moment also war keine Zeit, die Glückseligkeit in meiner Brust auszukosten. Gleich sollte das Bärenmesser geworfen werden, und seitens Hayes’ war mit Tücke zu rechnen, wie sehr, hatte sich ja dann erwiesen. Nun, Winnetou so nahe wissend, hatte ich keinen Grund mehr, besorgt zu sein, wenn ich es überhaupt gewesen war. Noch entspannter war ich, beruhigt, gelassen, denn ER war ja wieder um mich, und keine Hinterlist der Welt würde ER gestattet haben, die mich oder andere zu Fall gebracht hätte. Dieses Wissen um Winnetous Anwesenheit war es, was den Westmann in mir auf die einzig richtige Weise handeln ließ, nämlich vollkommen meinen Instinkten folgend. Ich wußte, was zu tun war, also zielte ich, wie es sich vielleicht darstellt, nur ins Ungefähre, aber es waren die Liebe und die Fürsorge des mir wichtigsten Menschen, welche mir die Sicherheit eingaben, ein jedes Mal zu treffen: drei Meisterschüsse!
    Hinterher, umfangen von einer Vielzahl Gratulanten, konnte es mir nicht schnell genug gehen, Winnetou zu begrüßen – allein, versteht sich. Dazu mußte ich aber erst einmal frei werden, denn man stürzte sich auf mich wie Falken auf die Reiher. Darum überließ
ich Hirtreiter nur zu gern allen mir zugedachten Ruhm. Er verdiente alle Bewunderung für seinen Wurf, erst recht für seine stundenlange Aufwartung mit dem Festmahle. So gelang es mir, mich zu absentieren, und weil ich ahnte, wo Winnetou zu mir stoßen wollte und wir ungestört sein würden, verlor ich keine Zeit, mich ebendorthin zu begeben. Mein Zimmer schied als Treffpunkt aus, weil dort die Wände Ohren haben konnten. Es gab vielmehr einen anderen Ort, der gerade jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit verlassen war. Ich duckte mich weg und schlich hinter den Tresen, duckte mich wieder und kroch unbemerkt die wenigen Meter zu dem anschließenden Raume – in die Küche! Hier war zuvor Hayes durchgekommen, und doch wurde mir hier das schönste Tedeum zuteil, als ich nämlich eintrat, die Tür hinter mir

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