Hämatom
vorsichtig
hoch. Beinahe hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich ihren kindlichen
Stolz über ein bisschen Anerkennung skrupellos ausnutzte.
Nachdem ich Viktoria die chirurgische Station aufgeschwatzt
hatte, blätterte ich in der Telefonliste nach der Durchwahl der
Klinikmanagerin. Doch morgens um halb sieben war Adolfs Büro noch nicht
besetzt.
Ich beschloss, erst meine verbliebene Arbeit zu
erledigen. Weil Viktoria die Chirurgie übernahm, brauchte ich selbst nur noch
die Büros im Verwaltungsbereich zu reinigen. Das konnte selbst ich im Laufe
eines Vormittags schaffen. Und vielleicht lief mir Adolf dabei ja über den Weg.
Ich fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben.
Als sich die schwere Tür öffnete, zuckte ich erschrocken
zusammen: Ich stand Gundel gegenüber. Die Krankenschwester hatte auf den
Fahrstuhl gewartet.
Gundel musterte erst den Reinigungswagen, dann meine
grüne Putzfrauenschürze, dann mein Gesicht â und runzelte die haarlose Stirn.
Ich sah schnell zu Boden, doch weil ich meine Haare
streng zurückgesteckt trug, konnte ich mein Gesicht nicht vor ihrem Blick verbergen.
Nichts wie weg!
Ich nickte Gundel kurz zu und stemmte mich gegen den
Reinigungswagen, um ihn an der Schwester vorbei auf den Flur zu schieben.
Hoffentlich sprach sie mich nicht an!
Ich konnte ihren Blick heià auf meinem Rücken spüren und wartete
auf das Geräusch, mit dem sich die Fahrstuhltür schloss, bevor ich mich umsah.
Mist!
Wenn sie sich erinnerte, woher sie mich kannte, flog meine
Hochstapelei auf, bevor ich mit meiner Detektivarbeit richtig begonnen hatte.
Und bei meinem Glück bekam ich gleich noch eine Anzeige wegen Betrugs dazu!
Für die Büros brauchte ich nur Eimer und Lappen. Denn im
Gegensatz zu den sterilen Fluren der medizinischen Stationen war hier im
Verwaltungsbereich Teppich verlegt worden.
Ich suchte nach dem Staubsauger, von dem Svetlana gesprochen
hatte. Mit meiner Schlüsselkarte öffnete ich eine der neu aussehenden Holztüren
und blickte in einen Raum mit Blümchentapeten, welligem Uralt-PVC und Stuckverzierungen
an den Decken, in dem ein einsames Kopiergerät stand. Offensichtlich waren
nicht alle Räume modernisiert worden.
Hinter der nächsten Tür entdeckte ich ein Personaltoilette,
deren buntes Fliesenmosaik sich gröÃtenteils vom FuÃboden gelöst hatte.
Hinter der dritten Tür fand ich endlich den Staubsauger.
Das Ding ähnelte diesen Gespensterfanggeräten der Ghostbusters
und war so schwer, als hockten bereits drei bis vier übergewichtige
Poltergeister darin. Ich zerrte es aus der Kammer in das erste Büro, an dessen
Tür M edizinischer Schreibdienst stand. Es war leer und übersichtlich möbliert. Aus den Deckenlautsprechern
rieselte ein leises Let it snow auf mich herunter, das im nächsten
Moment im Dröhnen des Staubsaugers unterging.
Ich wuchtete das Gerät ächzend hinter mir her, saugte
unter den Schreibtischen, auf den Schreibtischen, um die Weihnachtsdeko auf den
Fensterbrettern herum und an den dünnen Gardinen entlang. Ups â das war keine
gute Idee, denn der Geisterfresser verschluckte das Gardinenende mit einem Happs.
Als ich den dünnen Stoff aus dem Rohr zerren wollte, heulte das Gerät empört
auf. Ich musste es ausschalten, um die Gardine zu befreien.
Uff.
Blick auf die Uhr: sechs Minuten für ein Zimmer â trotz
der Meinungsverschiedenheit mit dem Staubsauger. Meine persönliche Bestzeit!
Dank des Geisterfressers und der leeren Räume reinigte ich tatsächlich im
geforderten Fünfminutentakt.
Hocherfreut rechnete ich aus, dass ich bis zur Frühstückspause
um neun mit meiner Arbeit fertig sein könnte.
Es folgte ein Büro nach dem anderen. Man konnte an der
Einrichtung der Arbeitsplätze erkennen, wer darin arbeitete: Der medizinische
Schreibdienst und die Personalabteilung saÃen auf drehbaren
Kunststoffbürostühlen vor abwischbaren Plastikschreibtischen. Dagegen waren die
Stühle der leitenden Angestellten, wie Herold oder der Pflegedienstleiter, mit
neu riechendem Kunstleder bezogen und die Schreibtische massiver. Im
Betriebsratsbüro standen weich gepolsterte Sessel, doch sie schienen nicht neu
zu sein, genau wie der schwere, alte Holzschreibtisch mit den unzähligen
Schubladen und das mit Akten gefüllte Regal an der Wand, das eher in ein
Wohnzimmer passte als in ein Klinikbüro. Und bei Gott, dem Chefarzt,
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