Hämatom
entdeckte
ich zusätzlich zu dem riesigen, schweren Schreibtisch und den schwarzen
Ledersesseln einen mit medizinischen Fachbüchern vollgestopften Schrank und
eine Behandlungsliege an der Wand.
SchlieÃlich öffnete ich am Ende des Flures die Tür zu dem
geräumigen Eckbüro der leitenden Managerin. Mit dem groÃen Konferenztisch und
seinen schweren, schwarz lackierten Möbeln hatte es eindeutig die
kostspieligste Einrichtung erhalten.
Ich beschloss, hier ein wenig gründlicher zu arbeiten,
zeitlich konnte ich es mir leisten. Während ich den FuÃboden saugte, sah ich
mich um: Das Büro war aufgeräumt, der schwarze Chefsessel sorgfältig an den
Schreibtisch rangeschoben.
Drei Fotografien standen neben dem PC. Eine zeigte Katja
A. Schrage in einem blassrosa Businesskostüm an der Seite eines älteren,
hochgewachsenen Glatzkopfs in einem dunkelgrauen Zweireiher. Auf dem zweiten
hatte sie sich für ihre Verhältnisse lässiger gestylt: Sie trug zu ihrem Kostüm
die Haare offen. Der hier mit ihr abgebildete Mann war mit Jeans und Pullover ebenfalls
lockerer gekleidet. Er war kaum gröÃer als sie, mit braunem Seitenscheitel und
einem dicken Schnauzbart, der seinen Mund wie bei einem Walross verdeckte.
Welcher von beiden war ihr Mann, Freund, Lebensgefährte?
Der Bartträger oder die Glatze?
Das dritte Bild war noch ein Porträt des Haarlosen, der
damit zum Hauptverdächtigen für Adolfs geheimes Privatleben wurde. Allerdings
war der Typ bestimmt Mitte sechzig, also grob geschätzt zwanzig Jahre älter als
sie. Vielleicht doch eher ihr Vater?
Andererseits sollte gerade ich eigentlich wissen, dass
ein Altersunterschied kein Hindernis sein musste.
Ich war zwanzig, Danner achtunddreiÃig. Er ein schlecht
rasierter Schnüffler, der aus Prinzip nur Schwarz trug, ich hüllte mich vorzugsweise
in überlange, knallbunte Pullover, zu deren Farbe ich gern auch meine Haare
passend tönte. Danner sprach kein Wort zu viel und ich plapperte eine Lüge nach
der anderen heraus, nur um in Ãbung zu bleiben. Nie im Leben hätte uns jemand
für ein Paar gehalten.
Waren wir ja auch nicht.
Autsch.
Die Erinnerung an Danner bohrte sich wie ein Messer in
meine Brust und meine Finger klammerten sich um das Staubsaugerrohr. Ich musste
besser aufpassen, meine Gedanken durften sich nicht einfach selbstständig
machen.
Rasch rumpelte ich den Geisterfresser zu dem hohen Fenster
hinüber. Der Blick ging nach hinten raus. Die graue Morgendämmerung lag über
den Gebäuden wie nebliger Smog. Ich konnte in die beleuchteten Fenster des
Neubaus hinübersehen, wo Schwestern und Pfleger Frühstück servierten, Patienten
auf Nachtstühle setzten oder nackt im Bett liegend wuschen, ohne die Gardinen
zu schlieÃen. Dort drüben hatte man ungefähr so viel Privatsphäre wie Schildkröten
in einem Terrarium.
AuÃerdem hatte ich eine wunderbare Aussicht auf die
Glasgänge, die beide Gebäude verbanden, und auf die Krankenwagen vor der
Notaufnahme.
Ein Stück weiter erkannte ich die drei dicken Krankenschwestern,
die mir kürzlich an der Stempeluhr begegnet waren. Wie Elefanten, die sich mit
dem Rüssel am Schwanz des Vordertieres festhielten, bewegten sie sich
hintereinander auf einen überdachten Unterstand zu. Durch das gläserne Dach des
Häuschens konnte ich selbst vom obersten Stockwerk aus erkennen, dass drinnen
geraucht wurde. Offenbar der legale Raucherbereich für die Mitarbeiter. Von den
Stationen aus brauchte man allein für den Weg hinunter mindestens fünf Minuten
â im gemächlichen Elefantentempo eher zehn. Kein Wunder, dass Gundel aus dem
Fenster qualmte.
Das elektronische Schloss der Bürotür klickte.
Rasch tat ich, als wäre ich mit Putzen beschäftigt.
»Guten Morgen.«
Ich sah auf, als hätte ich das Ãffnen durch den Lärm des
Geisterfressers nicht gehört.
Adolf trug ein champagnerfarbenes Kostüm.
Ich schaltete den Staubsauger aus. Den Anruf bei ihr
konnte ich mir also sparen.
Die kleine, blonde Frau war so perfekt gestylt, als hätte
sie jede Haarsträhne genau an die Stelle frisiert, an der sie lag. Sogar ihren
Lidschatten hatte sie auf die Farbe ihrer Bluse abgestimmt. Trotzdem öffnete
sie einen Aktenschrank und warf einen Blick in den Spiegel, der an der Innenseite
der Tür befestigt war. Sie rückte eine Locke zurecht, die vorher auch schon
tadellos
Weitere Kostenlose Bücher