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Hämatom

Hämatom

Titel: Hämatom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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gesessen hatte, um ganz sicher jeden Rest von Zufälligkeit zu
beseitigen.
    Â»Guten Morgen«, antwortete ich erst jetzt.
    Die Managerin drehte sich so erstaunt zu mir um, als hätte
sie meine Anwesenheit in den wenigen Sekunden bereits vollkommen vergessen. »Mein
Dienst beginnt um halb acht. Es wäre schön, wenn Sie Ihre Arbeit hier bis dahin
erledigt hätten, Frau Ziegler.« Ihre spitze Nase zeigte ein wenig nach oben,
sodass sie den Eindruck erweckte, als sähe sie auf mich herunter, obwohl die
Klinikleiterin nicht größer war als ich.
    Â»Ich bin fertig.« Ich hob mein Kinn ebenfalls unmerklich
und trat vor ihren Schreibtisch. »Ich würde gern etwas mit Ihnen besprechen.
Beim ersten Sichten der Personalunterlagen gestern ist mir aufgefallen, dass
nach dem Ausscheiden einer gewissen Edith Möllering meine Vorgängerin Johanna
Degenhardt die Abteilungsleitung übernommen hat. Frau Degenhardts eigene
Vollzeitstelle wurde jedoch nicht wieder besetzt.«
    Â»Das ist Ihnen richtig aufgefallen.« Der lauernde Unterton
in Adolfs Stimme verriet mir, dass sie bereits ahnte, worauf ich hinauswollte.
    Â»Budgetoptimierung ist eines der Hauptziele unserer Klinikpolitik,
um unsere Konkurrenzfähigkeit zu sichern«, ließ sie mich nicht noch einmal zu
Wort kommen. »Wir sind ein privatisierter Betrieb und müssen wirtschaftlich
arbeiten, um marktfähig zu bleiben. Trotz intensivem Outsourcing sind die
Personalkosten immer noch der größte Kostenfaktor.«
    Respekt. Sie hatte es geschafft, so viele Fremdwörter zu
benutzen, dass mir die Bedeutung ihrer Aussage weitestgehend verborgen blieb.
    Â»Ohne die fehlende Vollzeitkraft ist die anfallende
Arbeit nicht zu leisten«, versuchte ich mühsam zu kontern. Verdammt! Ich war es
nicht gewohnt, so unverständlich wie möglich zu reden.

    Â»Und wie erklären Sie sich, dass unter Leitung Ihrer Vorgängerin
die anfallende Arbeit sogar im Urlaubs- und Krankheitsfall geleistet wurde?«

    Größtenteils erklärte ich mir das durch Viktoria
Lebrecht.
    Â»Durch verkürzte Arbeitsabläufe konnten die verbliebenen
Mitarbeiterinnen die Arbeit der fehlenden Kraft für eine gewisse Zeit
übernehmen«, mühte ich mich holpernd.
    Â»Dann verkürzen Sie die Arbeitsabläufe weiter«, schlug
Adolf sachlich vor. »Eine Neubesetzung der Stelle ist nicht vorgesehen.«
    Â»Die Arbeitsabläufe sind bereits verkürzt.«
    Â»Dann verhängen Sie eine Urlaubssperre.«
    Im Radio jodelte ein Kinderchor Jingle Bells .
    Â»Ãœber Weihnachten? Die meisten Mitarbeiterinnen haben
Familie!«
    Â»Ihre Aufgabe ist es, das Team so zu führen, dass es die
von ihm erwartete Leistung erbringt.« Adolf hob ihre Nase noch ein Stück höher.
»Ich dachte eigentlich, Sie wüssten, dass eine leitende Tätigkeit auch bei den
Mitarbeitern unbeliebte Entscheidungen verlangt.«
    Ich knirschte mit den Zähnen.
    Die Managerin nahm zufrieden hinter ihrem Schreibtisch
Platz, schlug die Beine kokett übereinander und griff nach dem Telefon: »Ist
sonst noch etwas, Frau Ziegler?«
    Mir fiel nichts ein.
    Â»Haben Sie nicht noch ein Klo zu putzen?«
    Arrogante Zicke!
    Wütend zerrte ich den Geisterfresser aus dem Büro ins
Vorzimmer, schlug die Tür hinter mir zu und lehnte mich mit dem Rücken dagegen,
um Adolf sicher eingesperrt zu haben.
    Die solariumsüchtige Sekretärin schaltete gerade ihren PC
ein.
    Die Giftkröte hatte mich eiskalt abblitzen lassen. Schlimmer,
sie hatte mich zum Schweigen gebracht. Scheiße!
    Erst jetzt bemerkte ich, dass mich die Sekretärin beobachtete.
    Â»Stress mit dem Boss?«, erkundigte sie sich. »So schnell?«
    Ãœber den lila Rand meiner Brille hinweg musterte ich abschätzend
den mit Kunstpelz besetzten Ausschnitt ihres purpurroten Pullovers. »Sieht so
aus«, murrte ich dann.
    Â»Hilft dir ’ne Kippe?« Sie winkte mit einer Packung Zigaretten.
    Offensichtlich hellte das meine Miene auf, denn sie zog
sich eine figurbetonte Daunenjacke über. Dass sie kein Problem damit hatte, bereits
direkt nach dem Einschalten ihres Computers die erste Raucherpause einzulegen,
machte sie auf Anhieb sympathisch.
    Ich folgte ihr zum Fahrstuhl.
    Â»Mein Name ist übrigens Ramona.« Die Braungebrannte hielt
mir die Schachtel hin, als wir im Erdgeschoss aus der Seitentür in die klare,
kalte Winterluft

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