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Hämatom

Hämatom

Titel: Hämatom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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redete der Vertreter noch immer, ohne Luft zu holen.
    Â»Andere Firmen bieten ähnliche Produkte deutlich günstiger
an«, unterbrach ich ihn rücksichtslos.
    Â»Andere Firmen liefern aber auch nicht die Qualität, die
wir anbieten«, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen. »Wir sorgen
nicht nur für eine Arbeitserleichterung, unsere Produkte sind von
Arbeitsmedizinern ergonomisch konzipiert, sodass sie gleichzeitig die
Gesundheit Ihrer Mitarbeiter schonen. Auf die Qualität der Arbeitsmaterialien
wird in diesem Haus viel Wert gelegt.«
    Das hatte Herold mir auch gesagt. Und eine Aufstützhilfe
zur Rückenentlastung klang nicht übel. Immerhin bestellte sich Gott sogar
goldene Stethoskope. Mir sollte es egal sein, ich brauchte die
Zweihundertfünfzig-Euro-Besen ja nicht selbst zu bezahlen.
    Ich hörte mir Krebs’ Verkaufsveranstaltung noch eine
Weile an. Allerdings wusste ich nicht, ob uns das Grüne Gift wirklich
fehlte, bisher hatte ich es nicht vermisst. Deshalb erklärte ich Krebs, ich
würde mich melden, wenn wir etwas benötigten, und heftete den Stapel Prospekte,
den er mir auf den Schreibtisch klatschte, zu den Angeboten im Ordner.

    Â 
    Die Hände in den Hosentaschen schlenderte ich nach
Feierabend wieder in die Dragon-Kampfsportschule. Diesmal fand ich Jan
Degenhardt vollständig bekleidet in einem Büro hinter einer Glastür.
    Â»Ja, bitte?« Es dauerte einen Augenblick, bis er mich erkannte
und sich sein Gesicht verfinsterte. »Du? Was willst du schon wieder?«
    Â»Ich hab noch ein paar Fragen zu Janna.«
    Â»Sie geht dich nichts an! Verzieh dich!« Er erhob sich hinter
seinem Schreibtisch.
    Ich stellte mich vor den Schreibtisch, sodass das Möbelstück
einen Sicherheitsabstand zwischen uns schuf.
    Â»Sie soll sich ihre Abteilungsleiterstelle erschlafen
haben«, präsentierte ich ihm die neuesten Ergebnisse meiner Ermittlungen.
    Seine Gesicht bewegte sich nicht.
    Â»Sie soll was mit ihrem Vorgesetzten, diesem Herold, gehabt
haben«, fuhr ich fort. »Wusstest du davon? Hattet ihr deswegen Streit?«
    Â»Das geht dich gar nichts an!« Er stieß mit den Oberschenkeln
gegen die Tischplatte.
    Direkter Angriff.
    Â»Sie war meine Freundin und sie ist tot!« Trotz der Lüge
hatte ich keine Skrupel, laut zu werden. »Also, kanntest du die Gerüchte oder
nicht?«
    Â»Scheiße, es gab immer Gerüchte! Hätte mich das interessiert,
hätte ich sie gar nicht erst geheiratet. Angeblich hatte sie schon mit mehr als
hundert Männern geschlafen und war ’ne Nutte! Affären hat man ihr ständig
angedichtet. Alles Quatsch!«
    Oh. Jannas Ruf war ja beeindruckend.
    Ich staunte.
    Â»Das lag aber einfach an ihrem Job«, erklärte Degenhardt
etwas friedfertiger, während er mein verblüfftes Gesicht musterte.
    Â»Am Job? Als Putzfrau?«
    Â»Sie hat früher mal gestrippt.«
    Gestrippt? Gut, diese Tätigkeit hätte ich jedenfalls in
einem Bewerbungsschreiben auch nicht erwähnt.
    Â»Wirklich?«
    Â»So habe ich sie kennengelernt«, nickte Jannas Mann. »’n
paar Kumpels hatten sie mir zum Geburtstag gebucht. Damit war sie als Nutte
abgestempelt. Dabei war das ja nur ein Job, hat nix mit ihr als Mensch zu tun
gehabt.«
    Ein paar Sekunden lang wunderte ich mich über das Phänomen,
vernünftige Worte aus dem Mund dieses Karatekönigs zu hören. So musste es sein,
wenn der Schimpanse im Zoo plötzlich anfangen würde, Goethe zu zitieren statt
mit Sand zu schmeißen.
    Â»Hat sie bis zuletzt gestrippt?«
    Er schüttelte den Kopf.
    Â»Weißt du noch, wo sie damals gearbeitet hat?«
    Er kratzte sich kurz am Kopf. »Zuletzt in so ’nem Laden
am Eierberg.«
    Â»Wo?« Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen,
dass das ein Straßenname sein sollte.
    Doch der Drachenfreund war plötzlich erstaunlich auskunftsbereit:
»Na, im Bumsviertel. Gußstahlstraße. Babajaga heißt der Schuppen, glaube
ich.«

    Â 

24.
    Auf dem Flur vor dem Betriebsratsbüro stand der aufdringliche
Elektriker mit dem vielsagenden Spitznamen auf einer Leiter. Jedenfalls
vermutete ich, dass es Eros war, weil in der blauen Arbeitshose ein Hintern
steckte. Der Handwerker hatte eine der Platten der Deckenverkleidung zur Seite
geschoben und war mit dem Kopf in dem dadurch entstandenen Loch verschwunden.
    Eros hatte seinen Dienst früh begonnen, es

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