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Hämatom

Hämatom

Titel: Hämatom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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öfter Streit? Krise? Weil du ständig hier
abgehangen hast? Sie hat sich doch fast allein um euer Kind gekümmert, das muss
ihr doch auf den Geist gegangen sein!«
    Sein Gesichtsausdruck wechselte von abweisend zu wutschnaubend.
»Ihr ging gar nichts auf den Geist! Alles lief super, bis sie tot umgefallen
ist, kapiert?«, zischte er zwischen den zusammengepressten Zähnen hindurch. »Und
jetzt raus hier! Lass mich in Ruhe!«
    Er kam auf mich zu.
    Abwehrend hob ich meine Hände.
    Â»Raus hier!«, schrie er. »Verpiss dich!«

    Â 

22.
    Am nächsten Vormittag zog ich gerade die beiden großen, blauen
Müllsäcke aus dem Abstellraum des Verwaltungsflures, in dem der Geisterfresser
stand, als ich den Hinweis erhielt: »Sie werden noch eine Schulung zur
Erstellung der Mitarbeiterzeugnisse erhalten.«
    Adolf stand hinter mir.
    Sie musterte erst meine lila Bluse, dann die Müllsäcke in
meinen Händen.
    Ich hatte nicht damit gerechnet, der Klinikchefin im Abstellraum
zu begegnen. Ich ging an ihr vorbei auf den Flur.
    Â»Selbstverständlich werden wir auch von Ihnen eine Beurteilung
erstellen. Bei Ihnen als Führungsperson ist für die Bewertung das
Zwischenmenschliche entscheidend. Teamfähigkeit, Zusammenarbeit mit anderen
Abteilungen und auch das Verhalten gegenüber Vorgesetzten fallen bei Ihnen ins
Gewicht.«
    Mir war nicht klar, worauf sie hinauswollte, doch die
Schärfe ihres Tonfalls warnte mich.
    Ich zog die Tür des Abstellraums hinter Adolf zu, weil
die Managerin selbst das nicht für ihre Aufgabe hielt.
    Â»Auf der Grundlage dieses Zeugnisses wird über Ihre Weiterbeschäftigung
nach der Probezeit entschieden werden.«

    Mal wieder hatte Adolf so unverständlich wie möglich gesprochen.
Trotzdem hatte ich diesmal verstanden. Im Klartext sagte sie: »Wenn du nicht
bei minus zwei Grad wieder auf der Straße sitzen willst, fängst du besser an,
deinen Vorgesetzten so weit wie möglich in den Arsch zu kriechen!« – denn das
war es ja wohl, was als angebrachtes Verhalten
gegenüber Vorgesetzten beurteilt wurde.
    Ich sollte also nicht noch einmal in eine Besprechung
platzen und sie bloßstellen, wenn ich meinen Job behalten wollte.
    Â»Die Schulung steht nächste Woche auf dem Programm«,
erwiderte ich sachlich.
    Â»Gestern haben Sie übrigens elf Raucherpausen gemacht und
waren vierzehn Mal auf dem Klo. So was wirkt sich natürlich nicht positiv auf
Ihr Zeugnis aus«, fügte Adolf hinzu, drehte sich um und marschierte in
Feldwebelmanier auf ihren Pfennigabsätzen davon.
    Eins war sicher: Adolfs Arsch war so ziemlich der letzte
Ort, an dem ich feststecken wollte.
    Â»Schon wieder Stress mit dem Boss?«
    Ich zuckte zusammen. Ich hatte nicht bemerkt, dass die
Tür zu Ramonas Büro einen Spalt breit offen stand. Breit genug, dass Ramona
nicht nur das gesamte Gespräch mit Adolf hatte mithören können, sondern
wahrscheinlich auch noch alles beobachtet hatte, während sie sich hinter ihrem
PC die perfekt lackierten Fingernägel feilte.
    Ich zuckte die Schultern.
    Die Sekretärin stand auf und zog ihre Jacke an. »Mal wieder
höchste Zeit für ’ne Kippe, hm?«
    Ich nickte.
    Â»Ich weiß nicht mal selbst, wie oft ich rauchen und auf
dem Klo war. Hat sie Überwachungskameras installiert? Oder kann sie hellsehen?«,
fluchte ich, als sich die Fahrstuhltür hinter uns geschlossen hatte und ich
einigermaßen sicher war, nicht von Adolf belauscht zu werden.
    Â»Sie weiß alles.« Ramona senkte verschwörerisch ihre
Stimme. »Sie sieht alles, und was sie nicht sieht, das berichtet ihr
irgendjemand, der sich davon eine Gehaltserhöhung verspricht.«
    Schönen Gruß an die Stasi. Na ja, wenn heutzutage schon
die Mitarbeiter größerer Supermarktketten videoüberwacht wurden, warum nicht
auch das Krankenhauspersonal? Unwillkürlich suchte ich die Decke des Fahrstuhls
nach versteckten Kameras ab – und entdeckte tatsächlich eine über der Tür: Big
Brother is watching you!

    Gruselig.
    Ramona folgte meinem Blick.
    Â»Das ist nur die Notfallkamera, der Monitor steht am
Empfang. Und es gibt keinen Ton, nur Bild, falls hier drin ein Patient umkippt«,
beruhigte sie mich.
    Mein alter Verfolgungswahn flackerte auf und ich stellte
mir vor, wie Adolf in ihrem Büro die Türen der Aktenschränke öffnete und
dahinter eine ganze Wand voller

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