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Hände weg vom Abendschatten!

Hände weg vom Abendschatten!

Titel: Hände weg vom Abendschatten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lene Mayer-Skumanz
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Oberschweine!“
    „Pscht“, sagte Tante Mona. „Für mich ist es nicht so schlimm. Was kann ich schon verlieren? Ich bin eine alte Frau, ohne Kinder und Enkel, und meine Pension beziehe ich aus einem andern Bundesland. Die paar Jahre, die ich noch was tun kann, widme ich gern einer vernünftigen Sache. Mir gefällt der junge Anwalt, der die Bürgerinitiative vertritt. ,Fürchten Sie keine Scherereien?’, hab ich ihn einmal gefragt. Und er, ganz kühl: ,Man kann mich versetzen, aber ich hab ja keine Familie, und ich bin parteiunabhängig.’ — Ein guter Mann!“
    Michi war aus irgendeinem Grund wieder feuerrot geworden. „Rechnen wir noch was?“, murmelte er. „Oder soll ich dem Markus vielleicht die Bornheimer Höhe zeigen?“
    Sie beschlossen, noch ein wenig zu üben. Sie berechneten Oberflächen von Quadern, über die sich niemand aufregen musste, Malerfarbe für ein vielfenstriges Zimmer, das jeden kalt ließ, und das Fassungsvermögen eines außerordentlich langweiligen Nichtschwimmerbeckens. Tante Mona war zufrieden. „Und jetzt raus mit euch! Radelt ein bisschen durch die Gegend, während ich uns was Gutes koche! Markus, da steht irgendwo ein alter Drahtesel im Keller. Theodor? Och, nein, der bleibt so gern bei mir! Der kann mit euch nicht mithalten.“

    Michi radelte an der Spitze. Sein karottenfarbenes Haar leuchtete in der Mittagssonne. Marie-Theres folgte ihm flott, ohne sich nach Markus umzusehen. Der plagte sich mit Tante Monas Rad, das offenbar aus der mittleren Steinzeit stammte. Und nun führte die Straße sanft, aber unaufhaltsam bergan, vorbei an hübschen Villen in üppigen Gärten. Vor einer breiten Einfahrt blieb Michi direkt hinter einem parkenden Lastwagen stehen. Er drehte sich um, stoppte Marie-Theres und wartete auf Markus. „Tauschen wir!“, rief er. „Nimm mein Rad, es geht nämlich gleich noch ein bisschen weiter bergauf.“
    „Ich schaffe das schon“, keuchte Markus.
    „Du bist unser Gast“, sagte Michi. „Zu Gästen soll man höflich sein. Und ich muss sowieso Krafttraining machen.“ Während er sprach, schaute er Markus nicht an, sondern spähte durch die Einfahrt in den Garten. „Mein älterer Bruder lässt mich sonst nicht mitrudern. Er will sich für mich nicht genieren im Club. Und durch dieses blöde Mathe verliere ich schon genug kostbare Trainingszeit.“
    „Ihr seid in einem Ruderclub?“, fragte Markus, dankbar für die Verschnaufpause und das großzügige Angebot des Rädertausches. „Wo rudert ihr, im Rhein?“
    „Wo sonst“, sagte Michi. „Die Firma Morthand hat uns einen neuen Bootssteg gespendet samt toller Bootshütte. Sie unterstützt jeden Sportsverein in diesem Stadtteil. Und nicht nur Sportsvereine.“ Mit dem Kinn deutete er auf die Firmenaufschrift des Lastwagens. „Das ist ein Morthand -Laster, siehst du, und hier ist Zement abgeladen worden.“
    „Hochinteressant“, murmelte Marie-Theres. „Ausgerechnet hier.“
    Michi grinste. „Hier wohnt unser Bezirksbürgermeister, sein Sohn geht in meine Klasse. Wartet hier, ich schau schnell rein, ob er da ist.“ Er drückte Markus die Lenkstange seines Fahrrads in die Hand und verschwand im Garten.
    „Ist der Bürgermeisterssohn sein Freund?“, fragte Markus. „Nicht dass ich wüsste“, sagte Marie-Theres vergnügt.
    „Und du, gehst du auch in dieselbe Klasse?“
    „Nein, ich bin eine Klasse unter ihm.“ Neugierig sah sie Michi entgegen, der über den Kiesweg zurücktrabte. „Na?“
    „Er war nicht zu Hause“, berichtete Michi und schwang sich auf Tante Monas Uralt-Rad. „Nur eine Haushälterin war da. Der Willi ist fischen gegangen, sagt sie. Im Steinbruchsee im alten Teil. Dort hinein darf nicht jeder, Markus. Sie haben den Alten Steinbruch mit großer Mühe — wie heißt das, Marie-Theres?“
    „Rekultiviert.“
    „Danke. Es soll sehr schön geworden sein. Im See haben sie Forellen und Hechte ausgesetzt. Der Willi gibt immer an mit seinen Riesenhechten.“ Michi breitete die Arme aus. „Wenn sie nicht sooo lang sind, schmeißt er sie ins Wasser zurück...“
    „Nun erzähl schon das wirklich Interessante“, sagte Marie-Theres ungeduldig. „Wofür brauchen sie da drinnen den Zement?“
    „Für eine Terrasse“, antwortete Michi und strampelte los. „Einen Arbeiter hab ich erkannt. Einen Kollegen von meinem Vater.“
    „So, und der pfuscht da, mitten in der Woche?“, fragte Markus. „Der traut sich was.“
    „Wieso pfuschen? Die Werksleitung hat ihn geschickt. Damit

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