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Hände weg vom Abendschatten!

Hände weg vom Abendschatten!

Titel: Hände weg vom Abendschatten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lene Mayer-Skumanz
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Pünktchen drin?“
    Sie kam noch ein Stückchen höher, schob ein Bein über die Böschung, krallte sich an Markus’ Schulter fest und schwang sich mit einer letzten Anstrengung herauf. Ihre Stirn war von winzigen Schweißtröpfchen bedeckt. Sie rollte über Markus hinweg ins Gras und blieb schwer atmend liegen. „Danke. Für einen so kleinen Jungen bist du ziemlich kräftig.“
    „In meiner Klasse bin ich der Zweitgrößte“, brummte Markus und zog seine Jeanshose über den Rand des Abhangs. Sie schien zentnerschwer zu sein, seine Arme und Hände zitterten. Vorsichtig riskierte er einen genaueren Blick über die Kante des Bruchs. „Na servus . Da geht’s schön tief hinunter. Das sind ja mindestens acht oder neun Meter. Sind das Seerosen dort unten im Schilf? Sehr romantisch...“ Er setzte sich auf und fing an, seine Jeans zu entwirren. „Sag, genügt dir nicht eine kleine Mulde zwischen Weinstöcken, wenn du austreten musst? Ich hab mir schon heute Morgen gedacht, dass du wahnsinnig bist.“
    Sie seufzte. „Stimmt, ich bin in den Weingarten hinein, weil ich schnell mal musste. Aber dann hab ich von weiter drüben Stimmen gehört, und wie ich hinübergucke, seh ich einen Jeep und Arbeiter, die einsteigen und wegfahren. Arbeiter, nicht Weinbauern, verstehst du? Na, und dann bin ich bis zu dieser nagelneuen Schneise und über den Zaun... Was du übertriebenerweise einen fürchterlichen Abgrund genannt hast, ist ein so genanntes Trockental. Nie gehört? Hab ich mir gedacht. Also: Wo unterirdische Wasserläufe und Quellen sind, kann die Erde an der Oberfläche einsinken. Dann entstehen solche tiefe Rinnen, manchmal auch nur kleinere Trichter und Mulden. Je nachdem, wie stark es geregnet hat, können Schichtquellen austreten, dann gibt’s da unten im Handumdrehen das üppigste Grün. Was glaubst du denn, warum wir hier ein Landschafts-Schutzgebiet sind? Gut. Was mich aber speziell interessiert hat, waren nicht die Seerosen, sondern die riesigen Betonrohre, die da unten —“ Ein tiefes Grollen ließ sie verstummen. Markus, mit einem Bein schon in den Jeans, drehte sich um und erstarrte vor Schreck. Ein Rottweiler, von einem breitschultrigen Mann an kurzer Leine gehalten, strebte auf Marie-Theres zu; er hatte die Lefzen hochgezogen und zeigte die Zähne. Das drohende Grollen drang aus seiner Kehle, es war gewiss der unangenehmste Laut, den Markus in den letzten elf Jahren gehört hatte.
    Marie-Theres rührte sich nicht.
    „Was treibt ihr hier?“, rief der Mann. „Auf privatem, abgesperrtem Grund?“
    Marie-Theres wandte langsam den Kopf zu Markus und sagte in anklagendem Ton: „Immer fragen die Erwachsenen, was man treibt, wenn man gerade mit Aufklärung beschäftigt ist!“
    „So, so“, sagte der Mann, „Aufklärung. Was willst du denn aufklären, Mädchen, erklär mir das mal —“
    „Nein“, sagte Marie-Theres trotzig. „Das geht nur uns beide was an, wenn wir gerade unsere Beziehung vertiefen.“ Der Mann sah sie überrascht an, dann streifte er Markus mit einem vorwurfsvollen Blick. Markus spürte, wie er rot wurde. Er bemühte sich, sein zweites Bein unauffällig in den Jeans unterzubringen.

    „Kinder, ihr seid zu jung“, knurrte der Mann. „Aber abgesehen davon... hier habt ihr nichts verloren. Hopp und raus!“ Marie-Theres setzte sich auf, ohne den Hund aus den Augen zu lassen. „Hier war doch früher nie abgesperrt?“, maulte sie. „Dieser Weingarten gehört doch dem Opa der Kusine meiner Freundin, und da war kein so breiter Weg dazwischen, ich erinnere mich an die Weinlese vor zwei Jahren, da hab ich...“
    „Raus!“, rief der Mann. „Oder soll ich den Hund von der Leine lassen?“
    Markus schlüpfte in seine Schuhe, riss Marie-Theres hoch und rannte mit ihr zur Absperrung. Eilig kletterten sie darüber, dann liefen sie zu ihren Rädern zurück.
    „Ich hasse Rottweiler“, keuchte Marie-Theres. „Ich hasse Wächter der Firma Morthand. Und außerdem hasse ich, wenn ich lügen muss.“
    Sie radelten zu Tante Monas Haus zurück. Theodor wackelte ihnen entgegen und bekläffte sie freudig. Aus der Küche roch es gut nach gebratenem Gemüse und Fleisch, und aus dem Wohnzimmer erscholl teils brummend, teils gicksend Michis Stimme: „Na endlich! Ich fall vor Hunger schon um!“
    „Frechheit!“, rief Markus. „Warum bist du uns vor der Nase fortgefahren und hast so getan, als wüsstest du von keinem gemeinsamen Mittagessen?“
    Michi zuckte die Schultern und verteilte Messer und

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