Hände weg von Zeitmaschinen
Kaffee aus, ehrenwerter Herr? Ihre Großzügigkeit sei gesegnet!
Als Addyer erwachte, lag er in einem kleinen, weißgetünchten Raum auf einer Couch. Ein grauhaariger Mann mit groben Gesichtszügen saß hinter einem Schreibtisch jenseits der Liege und war damit beschäftigt, Papierstöße durchzublättern. Der Schreibtisch war mit ihnen geradezu überhäuft, und sie sahen aus wie komplizierte Fahrpläne. An seiner Seite befand sich ein kleines Radio. »Hö-hören Sie«, begann Addyer schwach.
»Moment, Mr. Addyer«, sagte der Mann freundlich. Er fingerte an dem Radio herum. In der Mitte des Zimmers bildete sich über einer kreisförmigen Kupferplatte ein Lichtschein, der sich zu einem Mädchen verdichtete, das äußerst nackt und äußerst attraktiv war. Sie raste auf den Schreibtisch zu und tätschelte den Kopf des grauhaarigen Mannes mit der Geschwindigkeit eines Preßlufthammers. Dabei lächelte sie und plauderte: »Wd-nk-tk-ik-lt-nk.«
Der Grauhaarige lächelte und deutete auf die Tür. »Gehen Sie hinaus und bewegen sie es fort«, sagte er. Sie wandte sich um und schoß hinaus.
»Es hat etwas mit dem Verhältnis der Zeiten zu tun«, sagte der Mann zu Addyer. »Ich verstehe nicht viel davon. Wenn man vorwärts ankommt, ist die Bewegungsenergie höher.« Er kritzelte etwas auf die Papiere. »Weshalb in aller Welt mußten Sie hier herumschnüffeln, Mr. Addyer?«
»Ihr seid Spione«, sagte Addyer. »Sie hat Chinesisch gesprochen.«
»Kaum. Ich würde sagen, daß es Französisch war. Frühes Französisch, wie es Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts üblich war.«
»Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts!« rief Addyer aus. »Ja, das würde ich sagen. Langsam bekomme ich ein Ohr für diese schnellen Sprachen. Entschuldigen Sie mich bitte.« Er schaltete wieder am Radio herum. Das Glühen erschien erneut und verdichtete sich diesmal zu einem nackten Mann. Er war stämmig, behaart und trübsinnig. Mit atemberaubender Langsamkeit sagte er: »Muuu fuuu bluuu wooww hooww puuu.«
Der Grauhaarige deutete auf die Tür. Der traurige Mann entfernte sich mit äußerster Langsamkeit.
»Ich sehe es so«, fuhr der Grauhaarige in heiterem Plauderton fort. »Wenn sie zurückkommen, schwimmen sie gegen den Zeitstrom an, und das verlangsamt sie. Wenn sie vorwärts kommen, schwimmen sie im Strom. Das gibt ihnen mehr Geschwindigkeit, die aber nicht sehr lange anhält. Auf keinen Fall länger als ein paar Minuten. Das gibt sich.«
»Was?« fragte Addyer. »Zeitreise?«
»Ja, natürlich.«
»Dieses Ding…« Addyer deutete auf das Radio. »Soll das eine Zeitmaschine sein?«
»So könnte man es, grob gesehen, nennen.«
»Aber es ist doch viel zu klein.« Der Grauhaarige lachte.
»Wo bin ich hier überhaupt? Was haben Sie eigentlich vor?«
»Komisch«, sagte der Grauhaarige. »Jedermann pflegte über die Zeitreise zu spekulieren. Wie man sie für Forschungen auf archäologischem, historischem und sozialem Gebiet anwenden könnte und so weiter. Keiner hat je vermutet, wofür man sie wirklich einmal benutzen würde… zur Therapie.«
»Therapie? Meinen Sie medizinische Therapie?«
»Richtig. Eine psychologische Behandlung für die Eigenbrötler, die auf keine andere Kur ansprechen. Wir lassen sie emigrieren. Entkommen. Alle fünfundzwanzig Jahre haben wir eine Station errichtet. Eine Station wie diese.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Sie befinden sich in einem Auswanderungsamt.«
»Oh, mein Gott!« Addyer sprang von der Couch hoch. »Dann ist das die Antwort auf den Bevölkerungsanstieg! Ja? So bin ich nämlich auf Sie gestoßen. Die Sterblichkeit liegt so hoch, und die Geburten liegen so niedrig, daß Ihre Zeitreisenden ins Gewicht fallen. Stimmt das?«
»Ja, Mr. Addyer.«
»Tausende von euch kommen hierher. Woher?«
»Aus der Zukunft natürlich. Die Zeitreise wurde erst im Jahre C/H 127 entwickelt. Das ist… hm, ungefähr 2505 n. Chr. nach eurer Zeitrechnung. Unsere Stationskette gibt es seit C/H 189.«
»Aber sagten Sie nicht, daß diejenigen Reisenden, die sich so schnell bewegen, aus der Vergangenheit kommen?«
»Oh, ja, aber ursprünglich entstammen sie alle der Zukunft. Sie haben einfach herausgefunden, daß sie zu weit zurückgereist sind.«
»Zu weit?«
Der Grauhaarige nickte und überlegte. »Es ist amüsant, welche Fehler die Leute machen. Wenn sie ein Geschichtsbuch lesen, werden sie unrealistisch, verlieren den Kontakt mit den Tatsachen. Ich kannte einen jungen Mann, der sich nur mit dem
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