Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hände weg von Zeitmaschinen

Hände weg von Zeitmaschinen

Titel: Hände weg von Zeitmaschinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bester
Vom Netzwerk:
Elisabethanischen Zeitalter zufriedengeben wollte. ›Sheakespeare‹, sagte er, ›die gute Queen Bess, die spanische Armada. Drake und Hawkins und Raleigh. Die männlichste Periode der Geschichte. Das Goldene Zeitalter. Das ist was für mich.‹ Ich konnte ihn nicht zur Vernunft bringen, und wir schickten ihn in diese Zeit. Zu schade.«
    »Warum?« fragte Addyer.
    »Oh, er starb nach drei Wochen. Trank ein Glas Wasser. Typhus.«
    »Und Sie haben ihn nicht impfen lassen? Ich meine, wenn die Armee Männer nach Übersee schickt…«
    »Natürlich haben wir das. Gaben ihm alle nur denkbaren Seren. Aber Krankheiten verändern sich ständig, kommen und gehen in immer wieder neuen Nebenarten. Deshalb entstehen Epidemien überhaupt nur. Unser Impfstoff kam gegen den elisabethanischen Typhus nicht an. Entschuldigen Sie mich bitte…«
    Wieder glühte das Licht auf. Ein weiterer nackter Mann erschien, plapperte etwas und verschwand dann durch die Tür. Dabei stieß er fast mit dem nackten Mädchen zusammen, das gerade den Kopf hereinsteckte, lächelte und mit seltsamem Akzent sagte: »Je vous prie de me pardonner. Quy estoit cette gentilhomme?«
    »Hatte ich doch recht!« sagte der grauhaarige Mann. »Das ist mittelalterliches Französisch. Wird seit Rabelais nicht mehr gesprochen.« Zu dem Mädchen gewandt fuhr er fort: »Mittelenglisch, bitte. Den amerikanischen Dialekt.«
    »Oh, tut mir leid, Mr. Jelling. Diese Sprachprobleme können einem ganz schön im Arsch brennen. Arsch? Ist das der richtige Ausdruck? Oder sagt man hier…«
    »He!« stöhnte Addyer gequält auf.
    »Der Ausdruck ist schon richtig, aber man verwendet ihn nur in engstem Kreise und keineswegs vor Fremden.«
    »Oh, ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Wer war der Herr, der gerade gegangen ist?«
    »Peters.«
    »Aus Athen?«
    »Richtig.«
    »Gefiel ihm wohl nicht, wie?«
    »Nicht sehr. Anscheinend kannte man damals noch keine Spülklosetts.«
    »Ja, nach einer Weile beginnt man, sich nach einem modernen Badezimmer zu sehnen. Wo kann ich ein paar Kleider bekommen? Oder trägt man in diesem Jahrhundert überhaupt keine?«
    »Nein, erst in hundert Jahren geht man nackt. Suchen Sie meine Frau, sie ist im Ausstattungsraum in der Scheune. Das ist das große, rote Gebäude.«
    Der große, stocksteife Mann, den Addyer zuerst im Hof gesehen hatte, erschien plötzlich hinter dem Mädchen. Nun war er angekleidet und bewegte sich mit normaler Geschwindigkeit. Er starrte das Mädchen an, und sie starrte zurück. »Splem!« riefen beide. Sie umarmten sich und küßten einander auf die Schultern.
    »Du mein Fels reiben reiben Fels zum Herz das Herz beide«, sagte der Mann.
    »Herz auch, argal, auch Herz«, lachte das Mädchen. »Was? Dann du zu du.« Sie umarmten sich wieder und gingen.
    »Was war das? Die Sprache der Zukunft?« fragte Addyer. »Gesprochene Kurzschrift?«
    »Kurzschrift?« rief Jelling überrascht. »Erkennen Sie keine Rhetorik, wenn Sie sie hören? Das war die Rhetorik des dreißigsten Jahrhunderts, Mann. Dort sprechen wir nur so. Hexameter, Pentameter, Alexandriner, Jambus, Tetrameter und so weiter. Von Geburt an beherrschen wir alle die Kunst des Skandierens.«
    »Hochnäsig sind Sie gar nicht«, murmelte Addyer neidisch. »Ich könnte auch skandieren, wenn ich es nur versuchte.«
    »In Ihrer Epoche ist es aber sehr ungewöhnlich.«
    »Na und?«
    »Doch, das ist schon wichtig«, meinte Jelling, »zumal Sie noch herausfinden müssen, daß das Leben die Summe von Übereinkünften ist. Sie mögen vielleicht denken, daß Installateure, verglichen mit den alten griechischen Philosophen, recht unwichtige Leute sind. Viele denken das. Aber in Wirklichkeit sieht es so aus, daß uns ihre Philosophie bereits bekannt ist. Nach einer Weile wird man es leid, die großen Männer zu sehen und ihren Lehren zu lauschen, die man sowieso schon kennt, und man beginnt, die Bequemlichkeiten unserer Zivilisation zu vermissen, die man als selbstverständlich hingenommen hat.«
    »Das scheint mir aber eine sehr oberflächliche Einstellung zu sein«, bemerkte Addyer.
    »Glauben Sie? Versuchen Sie einmal, in der Vergangenheit zu leben, bei Kerzenlicht und ohne Zentralheizung, ohne Eisschrank, Lebensmittel in Dosen, lebenswichtigen Medikamenten… Oder in der Zukunft: Versuchen Sie einmal, mit Berganlicks oder den zweiundzwanzig Geboten zu leben. Mit einem Duodezimal-Kalender und der gleichen Währung. Versuchen Sie einmal, nach einer strengen Metrik zu sprechen, sich jeden Satz

Weitere Kostenlose Bücher