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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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der Schädeldecke, stellte aber auch fest, dass er auf dem Dielenboden am Übergang zur Küche lag. Und scheinbar waren seine Fußgelenke und Handgelenke gefesselt. Die Erinnerung setzte schlagartig ein, als er die wütende Stimme hörte.
    »Komm da raus, du Schlampe!«
    Sofort war ihm alles klar. Sie war im Haus! Ellie Brock! Seine Mutter! Sie war im Haus, auf der Suche nach Saskia. Aber wie nur hatte sie ihn überwältigt?
    Sebastian wollte sich aufsetzen, verlor aber schon bei dem Versuch beinahe wieder das Bewusstsein. Entsetzliche Stiche in seinem Kopf ließen seinen Schädel fast platzen, Übelkeit stieg in seinem Hals hoch. Flach atmend unterdrückte er den Drang, sich übergeben zu müssen. Statt sich aufzusetzen, rollte Sebastian ein Stück zur Seite, so weit, dass er an dem breiten Dielenschrank vorbeischauen konnte. Dabei zerrte er an den Handfesseln. Sie gaben keinen Deut nach, schnitten nur noch tiefer in seine Haut.
Unter Schmerzen und Übelkeit schaffte er es schließlich, sich halb gegen die Wand zu lehnen.
    Dann bemerkte er eine Bewegung in der Tür zum Büro seines Vaters und erstarrte.
    Saskia kam aus dem Büro. Ihre Beine waren nackt, ihr Haar zerzaust, sie trug nur ein langes T-Shirt. Sie ging stocksteif, die bandagierte Hand gegen ihren Bauch gepresst. Sofort flog ihr Blick zu ihm hinüber. Tränenfeucht ihre Augen, Hoffnung, Panik und Angst zugleich darin. In den unteren Rücken gepresst folgte ihr der Lauf des Schrotgewehrs. Und schließlich die fette Gestalt, die Sebastian sofort erkannte.
    »Saskia!«, rief er.
    Sie machte einen Schritt in seine Richtung. Sofort stieß Ellie Brock ihr den Lauf des Gewehrs kräftig in den unteren Rücken. Sebastian musste hilflos mit ansehen, wie Saskia unter einem lauten Schrei vornüber zu Boden stürzte. Er zerrte an seinen Fesseln, wand sich hin und her. Vergessen waren die Schmerzen in seinem Kopf.
    »Fass sie nicht an, verdammt! Du willst doch mich! Ich bin hier! Komm her, und lass das Mädchen in Ruhe!«
    Mit nur einem Auge und in dem schlechten Licht konnte Sebastian nicht besonders gut sehen, doch was er sah, reichte vollauf. Ellie Brock drehte sich zu ihm um und sah ihn an. Sie lächelte! Lächelte erneut wie an jenem Abend im Haus der alten Kreiling; voller Wärme und Liebe. Mutterliebe. Dieses Mal jedoch wollte Sebastian sich nicht davon täuschen lassen.
    »Saskia, komm her!«, rief er.
    Saskia hatte sich aufgerappelt und krabbelte bereits auf allen vieren auf ihn zu. Sie hatte ihn fast erreicht, als Ellie Brock sich bückte und sie an ihren Haaren zurückriss. Saskia
schrie, streckte einen Arm aus, schaffte es noch, sich mit der Hand an seinem Oberarm festzuhalten, rutschte an seiner nackten Haut jedoch ab.
    »Sebastian!«, rief sie verzweifelt, wurde aber nur noch weiter von ihm fortgerissen.
    In ihren Augen stand nichts als die nackte Panik. Sie wollte nach ihm greifen, fasste aber ins Leere, immer und immer wieder, als könne sie nicht begreifen, dass es vorbei sein sollte.
    »Saskia, nein! Tu das nicht … verdammt, du blöde Kuh, komm her zu mir, und lass es uns austragen! Aber lass sie in Ruhe!«
    Sein Brüllen zeigte keine Wirkung. Ellie Brock hatte Saskia fest an den Haaren gepackt und zerrte sie von ihm fort. Es schien ihr keinerlei Mühe zu bereiten. Saskia schrie und kreischte, trat mit den Füßen, packte das Treppengeländer, brach sich die Fingernägel ab, weil sie nicht die Kraft hatte, gegen Ellie Brock zu bestehen. Schließlich fasste Saskia mit beiden Händen nach der Hand, die sie am Schopf gepackt hielt, um den schmerzhaften Zug an ihren Haaren zu verringern.
    Sebastian brüllte immer wieder ihren Namen, zerrte an seinen Fesseln, wand sich hin und her, trat mit den Beinen aus, doch die Stricke gaben ihn nicht frei. Hilflos musste er mit ansehen, wie Saskia durch die Haustür nach draußen gezogen wurde. Eben sah er noch ihr verzerrtes Gesicht, hörte ihr Kreischen, dann war sie plötzlich in der Dunkelheit verschwunden.
    »Neiiiiiiiiiiiiiiiiin!«, brüllte Sebastian und schlug mit dem Hinterkopf gegen die Dielenwand.
    Dann kehrte der Riese zurück.

    Saskia wurde an den Haaren aus dem Haus und die steinernen Stufen hinuntergezerrt. Erst dort ließ die eiserne Hand, gegen deren Kraft sie keine Chance hatte, sie los. Saskia fiel in den kalten Matsch.
    Drinnen brüllte Sebastian wieder und wieder ihren Namen. Trotz der Angst und der Schmerzen, welche sie überall am Körper spürte, zerriss es ihr das Herz, ihn so verzweifelt

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