Haeppchenweise
mich auf seiner Bettkante nieder. Ein süßlicher Muff aus ungewaschener Haut und Sagrotan weht in meine Nase.
„Mädel ...“ Jetzt klingt er beinahe zärtlich. „Dieses Sternebrimborium wird total überschätzt. Zwar kommen die Leute zu dir, um Kochen zu lernen. Aber sie bleiben, weil sie sich mit dem Cook & Chill verbunden fühlen. Das ist dein Kapital und kein Jørgensen kommt dagegen an.“
Wow! Schweigend mustere ich den Alten, der zwischen den Kissen fast verschwindet. Ich schlucke schwer an dem Frosch in meiner Kehle und tätschle seine Hand. Meine Stimme klingt belegt.
„Hühnchen? Flammkuchen? Was soll ich dir vorbeibringen lassen?“
Eine dreiviertel Stunde später biege ich mit dem Cateringvan vom Inneren Kanal auf die Richard-Wagner-Straße ab. Die hiesige Verkehrsführung bringt sogar eingefleischte Kölner zur Weißglut, Touristen und Zugezogene stellt das Einbahnstraßensystem vor unlösbare Probleme. In dieser Stadt gelangt man nie ohne Umwege von A nach B. Und mir fällt erst nach dem Abbiegen ein, dass ich jetzt an den höheren Nummern der Brüsseler vorbeifahren muss, um zum Cook & Chill zu kommen.
Mein Fuß löst sich instinktiv vom Gaspedal, ich wechsle auf die linke Spur, um bei nächster Gelegenheit zu wenden. Blöderweise fließt der Verkehr mehr als zäh und an meiner Heckstoßstange klebt eine Taxe.
Mit Kölner Taxifahrern sollte man sich als Verkehrsteilnehmer besser nicht anlegen. Sie sind rücksichtslos, leicht erregbar und besitzen einen Wortschatz, der sogar Julius vor Neid erblassen ließe. Obendrein sichte ich nirgendwo eine Parklücke, in die ich einscheren könnte. Ich beiße die Zähne zusammen und fixiere die Mittellinie. Das Starcooks interessiert mich nicht im Geringsten. Und garantiert werde ich nie einen Fuß in diesen Yuppieladen setzen!
Das riesige Schild kann leider Gottes niemand übersehen und, frei nach Murphy, überquert ausgerechnet jetzt eine Gruppe Schulkinder den Zebrastreifen vor mir. Mir bleibt keine Wahl. Noch während ich bremse, sinke ich in den Sitz und mein Kopf dreht sich automatisch nach rechts.
Das ehemals graue Gebäude, in dem sich vorher eine asiatische Garküche befand, erstrahlt in einer Farbe, die mich an Zabaionesorbet erinnert. Die schmale Eingangstür ist einer Glasfront gewichen, die sich wie eine Ziehharmonika entfaltet und den Blick ins Restaurantinnere eröffnet. Das Mobiliar stammt zweifelsfrei von jenem Hersteller, dessen Katalog ich sehnsüchtig durchgeblättert und sofort auf den Müll geworfen habe. Preise außerhalb jeder Diskussion. Auf dem Bürgersteig runden französische Bistrogarnituren mit champagnerfarbenen Kissen und Sonnenschirme das Bild ab, das in mir einen spontanen Brechreiz auslöst.
Hinter mir dröhnt lang anhaltendes Hupen. Die Schulkinder hüpfen auf der anderen Straßenseite auf und ab, lachen und zeigen mit dem Finger auf mich. Im Rückspiegel erspähe ich das wütende Gesicht des Taxifahrers, doch mein Fuß gehorcht mir nicht. Mein Blick hat sich haltlos in dem kühnen Schriftzug verheddert. Starcooks – Kochen und Genießen beim Profi.
Ein Fußgänger klopft an mein Seitenfenster.
„Haben Sie ein Problem mit ihrem Wagen? Brauchen Sie Hilfe?“
Ich schaue durch den hilfsbereiten Mann hindurch. Mir kann garantiert keiner mehr helfen.
Ein Hüne in weißer Schürze tritt aus dem Laden, zeitgleich durchbricht die Mittagssonne die Wolkendecke. Ich schlucke. Das Haupt des Kochs umflirrt ein Heiligenschein aus dünnem, blondem Haar.
Selbstverständlich handelt es sich nur um einen Lichtreflex, der keine göttliche Botschaft enthält, sondern die physikalische Antwort auf meine übersteigerte Fantasie ist. Dennoch jagt mir die optische Täuschung einen Riesenschreck ein. Der Motor unter mir gluckert ... und erstirbt.
Einen atemlosen Moment sehen wir einander an. Jørgensen verschränkt die Arme und neigt den Kopf, der viel zu winzig für seinen Stiernacken scheint. Ein herausforderndes Lächeln erscheint auf seinen Lippen. Eigentlich ist es eher ein blitzschnelles Heben der Mundwinkel, das die wimpernlosen Augen nicht erreicht. Erkennt der mich etwa? Wie peinlich! Bestimmt denkt er, ich spioniere ihm hinterher. Der Fernsehkoch marschiert los.
Nur wenige Schritte von meinem Wagen entfernt tippt eine Passantin auf seine Schulter, Jørgensen bleibt nichts anderes übrig, als stehen zu bleiben. Gottseidank!
„Frau Millstedt! Wie schön, Sie wiederzusehen!“, sagt er laut.
Die Angesprochene lächelt
Weitere Kostenlose Bücher