Haeppchenweise
geschmeichelt und erst jetzt schwant mir, woher ich das Mondgesicht unter der Hutkrempe kenne. Vor drei Wochen hatte sich diese Millstedt bei mir nach dem Anfängerkochkurs erkundigt. Ganze vier Tassen Kaffee musste ich ihr spendieren, ehe sie die Anmeldung unterschrieben hat! Und dann die telefonische Absage.
Hustend und röchelnd springt der Transporter an, mein rechter Fuß drückt zu. Mats Jørgensen hebt grinsend die Hand. Er winkt so lange, bis er im Rückspiegel zu einem kleinen weißen Fleck geschrumpft und endlich verschwunden ist.
Obwohl das Cook & Chill schlappe 300 Meter die Straße hinauf liegt – eine bodenlose Frechheit von diesem dänischen Scheusal! – marschiere ich erst eine Stunde später in den Laden.
Wie betäubt bin ich durch die ganze Stadt gefahren und nun um eine Erfahrung reicher: Die Ringstraße taugt im Feierabendverkehr definitiv nicht zum Aggressionsabbau. Zweimal bin ich verkehrt abgebogen und hätte fast einen Radfahrer erwischt, weil ich den Schulterblick vergaß. Ich nahm einer Polizeistreife die Vorfahrt, dafür quittierten die Beamten meine Fahrkünste mit einem saftigen Bußgeld. Seitdem fühle ich mich besser.
Im Bistro ist der Nachmittagsbetrieb in vollem Gang. Frau Krauses hausgemachte Kuchen und Torten gelten im Viertel schon seit dem ersten Cook & Chill als Geheimtipp, der sogar Gäste aus der Südstadt lockt. Nicht mehr lange!
Grimmig lege ich vor der Vitrine eine Vollbremsung ein. Die Cappuccino-Torte kommt mir gerade recht, auch wenn ich gerne dem Möhrenkuchen zu Leibe rücken würde. Aber ich teste heute lieber nicht aus, ob sich meine Karottenallergie verflüchtigt hat. Das Messer gleitet widerstandslos durch das Backwerk. Dieser köstliche Duft! Ich schneide noch ein Stück von der Käse-Kirsch-Schnitte ab. Käse schließt bekanntlich den Magen.
Sascha kann ich nirgendwo entdecken, stattdessen balanciert Julia eine Ladung Milchkaffee vor sich her. Sie nickt mir zu und beschreibt einen Bogen um mich herum. Blitzschnell stibitze ich einen Kaffeebecher von ihrem Tablett.
„He! Der gehört Friedrich!“
„Wieso kutschierst du Kaffee durch die Gegend, anstatt dir welchen bringen zu lassen, Fräulein Wagner? Wo steckt dein Freund?“
Julia fixiert meine Tasse. Kleine Schweißperlen rinnen ihre Schläfen herab.
„Er ist auf dem Passamt wegen des Visums.“
Ihre Augen sind unendlich traurig. Natürlich. Sascha bedeutet ihr eine Menge. Bedauerlicherweise fühle ich im Augenblick nichts außer Wut.
„Übrigens haben wir keinen braunen Zucker mehr ...“, sagt Julia schüchtern.
„Zucker ist sowieso ungesund!“ Ich schnaube in Julias entgeistertes Gesicht und steuere den Ecktisch am Fenster an.
Friedrich sieht von seiner Lektüre auf und lächelt mich an, als ob ihn mein Anblick überrasche. Ich kenne sonst keinen Mann, der geblümte Hemden trägt und dabei auch noch gut aussieht. Er faltet die Zeitung zusammen und schiebt sie, eine Spur zu unauffällig, unter die Getränkekarte.
„Hallo Lieblingskochschüler! Was liest du da?“
„Katta, seine Königin! Wie geht es ihr ?“
Noch immer habe ich mich nicht an seine Marotte gewöhnt. Friedrich spricht von allem und jedem in der dritten Person, was Gespräche mit ihm zu einer echten Herausforderung macht.
„Deine Ohren sind flammend rot. Was hast du da?“ Lachend fasse ich nach dem Stadtboten, doch er versteckt ihn hinter seinem Rücken und grinst mich treuherzig an. „Gib mir das Schmierblatt, oder ich zwinge dich, meine Torten aufzuessen“, drohe ich und krümme meinen Zeigefinger.
Seit Friedrich Busch bei mir kochen gelernt hat, muss er täglich dreigängige Menüs für seinen Lebensgefährten zubereiten. Da sich der Ärmste deshalb auf Dauerdiät befindet, versetzt ihn nichts mehr in Panik als Kohlehydrate und Fett auf demselben Teller. Gerade sieht er mich an, als hätte ich ihm Haschischkekse angeboten.
„ Er weiß überhaupt nicht, was sie meint ...“ Verstohlen schmuggelt er die Zeitung unter seinen Hintern. „Wie läuft ihr Geschäft so?“
„Netter Versuch. Hältst du mich für einen Volltrottel?“ Finster zeige ich auf seinen Sitz. Friedrich seufzt und hebt widerstrebend eine Pobacke.
Mats Jørgensen macht einen Kopfstand, was seinem selbstgefälligen Grinsen keinen Abbruch tut. Ich verkneife mir die gehässige Bemerkung zu dem unvorteilhaften Foto und drehe den Zeitungsartikel richtig herum, aufs Gröbste gefasst. Dennoch entgleisen mir sämtliche
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