Haeppchenweise
überraschend forsch durch den Raum.
„Denk daran, dass du keine scharfen Gewürze verträgst und von grüner Paprika bekommst du Blähungen“, beharrt die Tochter unbeeindruckt.
Vidas Kichern versiegt in unterdrücktem Raunen. Julia schaut die dunkelhaarige Schönheit mit offenem Mund an, während die ihre Lippen zu einer farblosen Linie zusammenpresst. „Ich bin in zwei Stunden zurück!“
Unmissverständlich eine Drohung, die ich liebenswürdig wegnicke.
„Bis dahin sind wir gewiss fertig.“
Endlich stakst Melitta hinaus und Sotiria Dukakis strahlt in die Runde.
„Duzt man sich hier? Nennt mich bitte Roúla. Die Koseform von Sotiria ist nicht so schwer zu merken. Was lernen wir heute denn?“
Wie auf Kommando dringt Leben in die schweigende Gesellschaft: Johannes beendet sein Telefonat, Friedrich rupft das letzte Minzeblatt aus dem Strauch. Lukas pfeift durch die Lücke zwischen seinen Schneidezähnen, als Vida ihr Dekolleté strafft und Julia krempelt die Ärmel ihrer Baumwollbluse hoch. Sogar Henriette, alias Henry, schaut mich erwartungsvoll an – sofern sie zu einer derartigen Interessebekundung fähig ist. Ich zwinge mich mit einem Seitenblick auf ihre Hände zu einem Lächeln.
„Fangen wir mit einem grundlegenden Thema an, dessen Wiederholung niemandem schadet. Allgemeine Küchenhygiene.“
Eine Viertelstunde später stehen meine Schüler in blütenweißen Schürzen in einer Reihe. Gewissenhaft überprüfe ich Pferdeschwänze und rot geschrubbte Hände und rücke Lukas Kochmütze gerade.
„Wer weiß, warum Halstücher zur Dienstkleidung eines Kochs gehören?“
„Na, weil´s erstklassig ausschaut!“, kräht Lukas.
„Falsch, du Schlauberger!“ Schneckenvögelchen setzt ihre Besserwissermiene auf. „Das Nackentuch dient als Schweißfänger.“
„Das stimmt, Julia. In der Spitzengastronomie zeigt die Farbe aber auch den Rang des Trägers an, das erleichtert der Küchencrew die Orientierung. Außerdem ist ein Koch ständigem Temperaturwechsel ausgeliefert: Von der Hitze am Herd läuft er ins Kühlhaus, zurück in die Küche und von dort in den Getränkekeller. Das Tuch schließt den Nacken ab und verhindert, dass man sich eine Erkältung zuzieht.“
„Hört, hört! Keller ...“, Lukas grinst lausbubenhaft. „Da kann man mit ´ner scharfen Kollegin Flaschendrehen mit verbundenen Augen spielen.“
„Klappe, du Idiot!“ Vida stößt ihrem Freund in die Rippen.
„Wat denn? Ich find so ´n roten Stoff um den Hals cool ...“
Ein schriller Pfiff meinerseits, das allgemeine Murmeln und Flüstern verstummt.
„Deine Coolness bleibt die nächsten zwei Stunden draußen, Lukas. Jetzt geht´s in unserer Küche heiß her!“
Henriette und Roúla wirken leicht befremdet. Sie werden sich an unseren Umgangston gewöhnen. Zuweilen derb, aber immer herzlich.
„Da sich dieses Team auf unterschiedlichem handwerklichen Niveau befindet, haben Julia und ich gemeinsam ein neues Konzept erarbeitet. Ab heute kochen wir je Kurseinheit ein komplettes Menü. Die Gänge sind Schwierigkeitsstufen zugeordnet. Stufe A ist das Basisgericht, B setzt auf Kreativität und C bedeutet Sterneküchenniveau.“
„Ich bin C, gib mir ein C!“ Lukas hüpft auf und ab wie ein Gummiball.
„Du bist vor allem vorlaut!“, weise ich ihn zurecht und drücke ihm die Tafel mit dem aufgemalten B an die Brust. „Deshalb bekommst du Julia und Vida als Partnerinnen, die dich hoffentlich auf den Boden der Bescheidenheit holen.“
Er grinst. „Einen Dreier wollte ich immer mal ... Autsch!“
Vidas flache Hand peitscht ins Leere, als Lukas sich unter ihrem Arm wegduckt.
„Mach ruhig so weiter, dann hast du das letzte Pastell de choclo deines schuldbeladenen Lebens gegessen!“
„Erbarmen! Tu mir das nicht an! Ich liebe das Essen deiner Mutter!“ Lukas hakt seine kichernden Bräute unter.
Johannes nickt stumm, als ich ihm das C entgegenhalte, und zeigt auf Friedrich. Weniger eine Frage als eine Feststellung, denn die beiden sind das, was man im Schulbetrieb Musterschüler nennen würde. Ich nicke.
„Enttäuscht mich nicht.“
Die übrig gebliebenen Neuen sehen mich ängstlich an. Auf der letzten Tafel steht, passend zur Sommerzeit „Gazpacho“, eine kalte Suppe. Ich zwinkere und senke meine Stimme.
„Wer von Euch hat schon einmal Urlaub in Spanien gemacht?“
„Was ist ein Pastell de choclo?“
Sie sieht nicht auf, während sie in atemberaubendem Tempo die Strauchtomaten in akkurate Würfel
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