Haeppchenweise
einen Spaltbreit öffnet.
„Möchtest du Kaffee?“
Julias Wangen sind gerötet, eine Strähne hat sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst. Sie zwinkert, weil sie die Kontaktlinsen nicht verträgt, aber ihre türkisfarbenen Augen sind wirklich zu schön, um sie hinter dicken Gläsern zu verstecken. Zögernd tritt sie ein, in einer Hand ein Tablett mit zwei Kaffeebechern balancierend. Ein verführerischer Duft breitet sich in meinem Arbeitszimmer aus.
„Du bist ein Engel! Und so geschickt, ganz ohne Übung.“
Eine plötzliche Traurigkeit umschattet ihr Gesicht. Sie blinzelt mehrmals, als müsse sie die Tränen zurückhalten.
„Das hat meine Mutter auch immer gesagt.“
„Tut mir leid!“ Ich Rindvieh! Das hatte ich total vergessen.
„Alles macht irgendwie Sinn. Wäre Mama nicht gestorben, wäre ich nicht hier.“
Ich nicke beschämt. Seit Louise jagt mir das Thema Tod richtig Angst ein. Absurderweise fürchtet etwas in mir, seine Geister heraufzubeschwören, wenn ich länger als einen Wimpernschlag über die Endlichkeit der Dinge nachdenke. Ich trinke den cremigen Kaffee rasch und in kleinen Schlucken. Wunderbar!
„Katta?“ Julia lehnt am Fenster und schaut in den Hinterhof. Schuldbewusst denke ich an die blauen Mülltüten. „Kann ich dir vielleicht helfen?“
Sie klingt verlegen, als ob ihre Frage ungehörig sei. Ich lache bitter auf.
„Schmeiß deinen Job hin und fang bei mir an.“
„Okay.“
Sie erlaubt sich einen Scherz mit mir!
Träge dreht Julia sich zu mir um und verschränkt die Arme vor der Brust.
„Ich wollte dir den Vorschlag sowieso machen.“
„Und dein Verwaltungsjob bei der Stadt?“
Sie senkt den Kopf und ihre Stimme zum Flüstern.
„Rationalisierungsmaßnahmen. Ich hab wohl den Zeitpunkt verpasst, mit dem Chef zu vögeln, um mich für seinen Kreis der Unkündbaren zu qualifizieren.“
Julia sieht aus, als ob ihre eigenen, unverblümten Worte sie schockiert hätten.
Ich verstehe ihre Gefühle bestens, bin aber unfähig, eine betroffene Miene zu heucheln. Stattdessen spüre ich ein unangebracht breites Grinsen auf meinem Gesicht. „Du wurdest entlassen? Wie großartig!“
„Der Schreibtisch-Job war ohnehin total öde ...“
Ängstlich betrachtet sie meine ausgestreckte Hand.
„Eins aber gleich vorneweg: Es gibt keine Garantie, dass ich das Cook & Chill bis zu deiner Rente halten werde. Ehrlicherweise schaut es im Moment zappenduster aus und ich finde den vermaledeiten Lichtschalter nicht. Vor allem das Catering macht mir Sorgen – es läuft einfach nicht gut an. Und der Anfängerkochkurs wird wohl nicht zustande kommen.“
Endlich schlägt Julia ein. Dann nimmt sie vor mir auf dem Besucherstuhl Platz und linst auf meine Liste.
„Kann ich dir bei der Suche nach diesem Lichtschalter helfen?“
Ein wohliges Gefühl durchströmt mich. Plötzlich fühle ich mich gar nicht mehr so allein, wie gerade eben.
Aus dem Türspalt dringt ein schwacher Schein. Hund tapst schnurstracks dorthin, wo er Futter vermutet, während ich im Flur auf einem Bein herum hüpfe und nach meinem zweiten Turnschuh angele.
Ich schwöre, meine mangelhafte Körperbeherrschung steht in keinerlei Zusammenhang mit der Flasche Chianti, die ich getrunken habe. In unserer Familie war der Gleichgewichtssinn nie optimal gelagert, Mutti beispielsweise kann bis heute nicht Fahrrad fahren. Meine Ungeschicklichkeit resultiert nur zweitrangig daraus, dass ich blau wie ein Pfau bin.
Julia hatte die Idee, den Anfängerkurs mit dem Fortgeschrittenenkurs zusammenzulegen. Wir schrieben das Konzept um, damit der Lehrinhalt sowohl den beiden Neulingen als auch meinen alten Hasen gerecht wird. Danach teilte ich den Anfängern per Email die Verlegung des Kochkurses auf Dienstagabend mit. Alles kommt in Ordnung.
Endlich fliegt der Sneaker in hohem Bogen sonst wo hin. Die kühlen Holzdielen fühlen sich wunderbar unter meinen nackten Füßen an. Ich tapse eine Weile im Kreis herum, doch davon wird mir schwindelig.
„Ka-tt-ah?“
Aus der Küche wallt ein verheißungsvoller Duft herüber, der mich vage an etwas erinnert. Mein Blick verfängt sich in der Pendelleuchte, als ich die Augen deckenwärts drehe. Komisch, dass man besser denken kann, wenn man nach oben schaut ...
„Wo bleibst du denn?“
Mein Lebensabschnittsgefährte scheint schlechter Stimmung zu sein. Ein klein bisschen schwankt er außerdem, was möglicherweise an mir liegt.
„Hallo Schatz!“, flöte ich und fasse Halt suchend nach einem
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