Haeppchenweise
überhaupt an besagten Abend, den er angeblich mit seinem besten Freund verbracht hat. Sie legt das Blitzerfoto auf die Tischplatte und kippelt mit dem Holzstuhl.
„Dafür gibt es todsicher eine harmlose Erklärung.“
„Ach ja?“
„Bestimmt hat Felix den Alfa ... verliehen.“
„Guter Witz.“ Ich lächle betrübt und schüttle den Kopf.
„Er nimmt doch gelegentlich private Fotoshootings an. Die Frau könnte eine Kundin sein. Vielleicht hat Felix getrunken und ihr sicherheitshalber den Schlüssel gegeben.“ Sie zeigt auf den geschwärzten Beifahrer. In Köln hält sich die Bußgeldbehörde bedauerlicherweise an den Datenschutz.
„Er erzählt mir haarklein von jedem Shooting. Am Siebzehnten war er angeblich mit Andreas unterwegs, es steht sogar in unserem Küchenkalender. Was brauchst du noch?“ Meine Stirn fühlt sich fiebrig an.
„Was wirst du jetzt tun?“ Britta knetet ihre Lippen, ich zucke die Schultern.
Katharina Lehner war nie offensiv veranlagt gewesen. Wochenlang habe ich Felix heimlich beobachtet und hätte Britta nicht nachgeholfen, säße ich bis heute mit dem Feldstecher hinter meiner Küchengardine.
Britta beugt sich auf ihrem Stuhl nach vorn und schaut mich eindringlich an.
„Dir bleiben im Grunde nur zwei Möglichkeiten. Frag ihn und riskiere eine Lüge, schlechtenfalls eine unschöne Wahrheit oder ...“
„Oder was?“
„Finde heraus, ob er dich betrügt. Vielleicht löst sich alles in Wohlgefallen auf.“
„Ich soll ihm hinterherspionieren?!“
„Nun ... darin hast du seit letztem Jahr jedenfalls Übung.“
Semifreddo
Semifreddo ist die italienische Bezeichnung für Halbgefrorenes, im Französischen bekannt als Parfait (vollkommen, untadelig). Man friert eine Masse aus Sahne, Früchten oder geschmolzener Schokolade zu halbfester Konsistenz ein. In der ehemaligen DDR verstand man unter Halbgefrorenem aber etwas völlig anderes: Ein vorgeformtes, lagerfähiges Eis, das aus Sahne, Pflanzenfett und künstlichen Aromen bestand. Und als Fürst-Pückler-Eis weltbekannt wurde. (Wikipedia)
„Du bist schon wach?“
Überrascht schaut Felix von seiner Zeitung auf. Normalerweise hat er längst das Haus verlassen, wenn ich mich aus den Federn quäle. Ich verrate ihm nicht, dass ich seit sechs Uhr früh zugesehen habe, wie ein dünner Speichelfaden aus seinem Mundwinkel tropfte. Sogar im Schlaf sieht er schuldig aus! Obwohl es mir einen Stich versetzt, lächele ich ihn liebevoll an.
„Ich dachte, wir frühstücken gemeinsam, da es gestern so spät bei dir war.“
Es war mir nicht gelungen, bis zu seiner Rückkehr wach zu bleiben. Ich trete rücklings an ihn heran und lege meine Arme um seine Schultern. Den spontanen Gedanken, ihn zu erwürgen, vertage ich auf später. Verstohlen schnuppere ich an seinem Hals nach etwaigen Spuren eines Frauenparfums. Hm. Riecht nur nach Seife.
„Ich muss los ... Au, du erdrückst mich ja!“ Felix befreit sich lachend. Hastig wende ich mich ab und drücke auf die Kaffeemaschine.
„Ist alles Okay, Süße?“
„Sicher ... war´s denn schön gestern?“ So unschuldig, wie ich kann, nippe ich an meinem Becher.
„Schön? Die Kundin will eine komplette Fotoserie von ihrem Zuchtrüden, aber leider ist der junge Mann enorm eigenwillig. Tierfotografie ist eine echte Herausforderung“, grinst er und beißt in sein Croissant. „Der Dackel hat grundsätzlich das Gegenteil von dem gemacht, was er sollte.“
Flüssige Schokolade tropft auf die Tischplatte.
„Dackel, soso ...“ Ich huste, als sich Kaffee in meine Luftröhre verirrt. „Bist du heute den ganzen Tag bei diesem Shooting? Wo ist das überhaupt?“
Seine Augen bohren sich in meine Scheinheiligkeit, das spüre ich körperlich.
„Mit dir stimmt irgendetwas nicht.“
Ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, fährt er über den Schokoladenklecks neben dem Teller und steckt den Finger in seinen Mund. Diese Geste lenkt mich so ab, dass ich fast seine Frage bejaht hätte. Rasch schüttele ich den Kopf.
„Gleich stellen sich drei Köche vor und ich habe kein gutes Gefühl dabei.“
„Wegen Julius?“
Ich zucke die Achseln. Manchmal finde ich Felix´ Beobachtungsgabe beängstigend. Er sieht nicht nur mit dem Auge eines Fotografen, sondern spürt sofort, wenn etwas in mir vorgeht.
„Ich kann mir vorstellen, dass ihm das nicht gefallen wird.“ Felix lacht leise.
„Wie meinst du das?“
Er schielt auf seine Armbanduhr und erhebt sich. Das angebissene Croissant
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