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Haeppchenweise

Haeppchenweise

Titel: Haeppchenweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia_Winter
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sie zu gängeln.
    „Das ist jetzt nicht wahr!“
    Der Koch stemmt die Fäuste in die Hüften und plustert sich auf wie ein Gockel, aber Melitta überragt ihn sogar in Pantoffeln um zwei Köpfe.
    Mammás Finger krallen sich um den Griff des Messers, während die nette, junge Frau ihr geduldig erklärt, wie sie ihn halten muss. Beherzt greift Mammá nach einer Möhre und schneidet sie in Scheiben. Im Zeitlupentempo zwar, aber mit einer tadellosen Wiegebewegung, die Zungenspitze zwischen den Zähnen.
    „Me-lit-ta! Erde an Schälstation, bitte kommen!“
    Melitta schaut auf. In Zanders grauen Augen liest sie Belustigung – trotz seines herabgezogenen Mundes. Sein Bart erinnert sie an die Stahlwolle, mit der Mammá früher die großen Eisentöpfe geschrubbt hat.
    Stumm klaubt sie eine Kartoffel aus dem Eimer, Sekunden später plumpst eine nackte Kartoffel in die Schüssel. Melitta fühlt überraschenden Stolz, als der Koch sie erstaunt ansieht. Zander wendet sich brummend ab und schlendert zu seinem nächsten Opfer: der glutäugigen Südländerin, die soeben in heftiges Schluchzen ausbricht.
     
    „Welchen Sinn hat es, dass er die Brühe klar kocht? Geht dann nicht ihr Geschmack verloren?“ Friedrich Busch beugt sich interessiert über den Topf.
    „Dient der Optik.“ Julius neigt verstohlen seinen Oberkörper nach rechts. Dieser Mensch macht ihn nervös, außerdem riecht er wie ein ganzes Lavendelfeld. Aber dieser Friedrich besitzt Gespür und ein Händchen für den Kochlöffel. Julius hebt das Mulltuch aus dem Sieb und hüstelt. Er hasst Lavendel.
    „Die Schwebstoffe trüben die Brühe ein, das sieht nicht schön aus. Geklärt darf sich die Suppe sogar Consommé schimpfen. Aber ich mag die unbehandelte Variante auch lieber“, brummt er.
    Der Rotzbengel mit dem Kettengürtel schwenkt die Whiskyflasche.
    „Nebenbei ein ‚Slainthe‘ auf die Schotten!“
    Julius starrt in die goldfarbene Flüssigkeit.
    „Ich trinke nicht. Nicht mehr, meine ich ...“ Sein Arm fühlt sich bleischwer an, als er abwinkt und das ironische „Hört, hört!“ seitens des Fenstersimses treibt sofort eine Hitzewelle durch seinen Körper. Er glättet seine Kochweste und greift nach dem Suppentopf. Zum hundertsten Mal fragt er sich, was er hier soll.
    „Herrschaften, die Consommé ist fertig. Rasch, bevor sie auskühlt!“, knurrt er, während Julia sich zwischen ihn und den Whisky drängelt.
    „Ich freu mich darauf. Vor allem auf die Reibekuchen. Trink das selber, Lukas, du hast doch gehört, der Herr Zander hat Nein gesagt.“
    Der Angesprochene zuckt die Achsel und kippt das Glas in einem Zug. Henriette hüpft vom Sims und steuert den Tisch an. Sie poltert in ihren Militärstiefeln dicht an Julius vorbei, sodass er ihr Eau de Toilette riechen kann. Rose und Jasmin. Mädchenhafter, als er ihr zugetraut hätte.
    „Wird auch Zeit! Ich hab Kohldampf!“
    „Na dann mal, guten Appetit“, murmelt Dr. Hennemann und nimmt Lukas die Flasche aus der Hand.
     
    „Mädel, du hängst wie ein Bauarbeiter in deinem Teller.“ Julius betrachtet befremdet seine Tochter, die soeben die Ellbogen aufstützt und geräuschvoll die Consommé in sich hineinschlürft. Henriette beugt sich nur noch tiefer in ihre Suppenschale.
    „Geht das irgendwen was an?!“
    „Hast du diesen Umgangston bei deinen Großeltern gelernt?“
    Henriettes Faust saust jäh auf die Tischplatte, ihre Suppe schwappt über den Tellerrand und sprenkelt das Tischtuch mit Fleischbröckchen.
    „Oma und Opa sind tot! Entschuldige bitte, dass ich im Kinderheim mit anderen Dingen beschäftigt war, als damit, Tischsitten zu üben oder an meiner Ausdrucksweise zu feilen!! Ich schulde dir also weder Respekt noch Höflichkeit und wage es nie wieder, irgendetwas in dieser Richtung einzufordern!“
    Sein Magen krampft sich zusammen, er schaut Hilfe suchend zu Julia, doch die drückt mit ihren Gabelzinken ein Muster in die Tischdecke.
    „Das wusste ich nicht ...“, sagt er in das betretene Schweigen hinein.
    „Natürlich nicht! Hast es schließlich vorgezogen, unauffindbar zu sein!“
    „Du weißt nicht, was du da redest.“
    Er wundert sich, wie gleichmäßig sein Puls schlägt. Die Augen seiner Tochter schimmern glasig, fast fiebrig. Viel härter trifft ihn jedoch die Armee roter Pusteln auf ihrem Hals – Lydias typische Reaktion auf Stress.
    „Gratuliere! Dann haben wir wenigstens etwas gemeinsam!“ Henriette springt auf.
    „Leute! Das hat doch keinen Sinn ...“ Aber Henriette

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