Haeppchenweise
befand mich eindeutig nicht im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, als ich mir dieses Spezialangebot ausgedacht habe. Die Leerstelle in meinem Cateringfaltblatt musste gefüllt werden, weil ich die Broschüre rasch in die Druckerei geben wollte. Hätte ich nur ein Strichmännchen in die Lücke gemalt!
„Wie stellst du dir denn den genauen Ablauf vor?“
Äh ... Ja. Ich schaue zu Boden. Abgesehen davon, dass mir vor einer fünfzehnköpfigen, in rosa Tüll gekleideten Horde Sechsjähriger mehr als graust, besitze ich keinerlei Betreuungserfahrung. Ich kenne nur ein Mädchen im Grundschulalter. Brittas Nichte rezitiert Thomas Mann, findet Kleider doof und prügelt sich mit Jungs. Meine Freundin mustert mich fassungslos.
„Du verkaufst ein Kindercatering ohne Konzept?!“
Manchmal finde ich ihre direkte Art echt ätzend.
„Ich dachte, keiner bucht diesen Schwachsinn.“
„Katta!!“
„Was?!“, blinzle ich so unbefangen, wie ich kann. Britta seufzt und angelt nach einem Block und einem Stift.
„Wir können da nicht unvorbereitet auftauchen. Wie lautet das Motto der Party?“
„Prinzessinnengelage.“
„Gelage?! War das Muttis Idee?“
Ich schüttle den Kopf. Die Wortschöpfungen meiner gehörlosen Mutter sind zwar auch zum Haareraufen, aber diesmal ist Mutti vollkommen unschuldig. Britta starrt an die Decke. Ich kenne niemanden, der beim Bleistiftkauen derart erotisch aussieht. Trotz Kartoffelsack und Wichtelbart.
„Wie heißt die Kleine gleich?“
„Lisa Müller.“ Ich schiebe Britta den mit Schmetterlingen und Blütenranken überzogenen Briefbogen zu.
„Wie süß!“ Britta lacht auf. Erstaunlich. Sie scheint das Kindergekritzel problemlos entziffern zu können. „Also Lisas Prinzessinnenbuffet.“
Ich nicke ergeben und piekse den letzten Zahnstocher in einen Goudawürfel. Britta bemerkt offenbar erst jetzt, was sich vor ihr auf den Arbeitsplatten türmt.
„Wow! Hast du das Schlaraffenland geplündert?“
Ehrfürchtig begutachtet Britta meine Kunstwerke. Ein Melonenpiratenschiff mit Obstsalatfracht, Minipizzen als Clownsgesichter, Nudelsalat und Schichtsalat, Gemüsedips. Ein überdimensionaler Käseigel. Diverse Kuchen, Erdbeertörtchen und Blaubeermuffins. Den ganzen Morgen haben Helga und ich dafür in der Küche geschwitzt – hat aber trotzdem riesigen Spaß gemacht!
„Das Büffet ist euch echt gelungen!“
„Immerhin ein Aspekt des Prinzessinnenblödsinns, der mir gelegen kommt.“
Ich grinse gequält und packe den „Kalten Hund“ in Folie. Der fettige Kekskuchen aus dem antiquarischen 70er-Jahre-Kochbuch verletzt zwar das gesamte Regelwerk der gesunden Ernährung, aber ich will den Zwergen meinen Kindheitsfavoriten nicht vorenthalten. Den Rum wollte ich allerdings weglassen, ehrlich. Doch seit Julius den kleinen Fernseher für die Küche angeschleppt hat, bin ich ständig abgelenkt.
„Willkommen bei Starcooks, der Sendung mit Biss! Knut mein Freund, was kochen wir denn heute Schönes?“ , schallt aus dem Gerät und ein blonder Hüne schiebt sich fröhlich grinsend auf den Bildschirm. Daneben sein Beikoch, drei Köpfe kürzer, ebenfalls vierschrötig und blond. Britta lacht auf.
„Was ist das denn? Ernie und Bert auf Schwedisch?“
„Das ist Mats Jørgensen von Starcooks. Der Mann ist berühmt! Und Däne.“ Ich drehe den Ton leiser, ohne die Augen vom Fernseher zu lösen. Ich liebe diese Kochsendung! Britta hebt eine Braue und grinst noch breiter.
„Das Smörrebröd ist ein Sternekoch?“
„Du, der ist echt ein Genie. Er weiß eine ganze Menge – und zwar nicht nur übers Handwerk. Seine Warenkunden sind superinteressant und lustig ist er obendrein. Vivo TV hätte ihm kaum eine eigene Sendung gegeben, wenn er nicht gut wäre.“
„Scheint so. Man muss sich nur den lobhudelnden Schatten an seinem Schürzenzipfel anschauen. Knuuuut ...“ Brittas Stimme trieft vor Ironie.
„Immerhin darf er alles probieren, der Glückliche. Aber Julius hält von Starcooks auch nicht viel, da habt ihr was gemein. Verzieht das Gesicht, als ob er in ein faules Ei gebissen hätte, und wechselt sofort den Sender. Keine Ahnung. Passt ihm wohl nicht, dass ein Kollege Erfolg hat.“
„Dein verrückter Koch hat halt Geschmack. Was nicht heißt, dass ich ihn deshalb besser leiden kann ... He!“
Britta duckt sich, als ich ihr mein Handtuch entgegenschleudere, wir fangen beide zu lachen an. Sascha steckt den Kopf in die Küche.
„Katta? Telefon!“
„Ja, ich komme gleich“,
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