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Haertetest

Haertetest

Titel: Haertetest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katri Dietz
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Protagonisten zu ehrlich. Und auch irgendwie zu blöd. Also genau die Gruppe Hörer, die auch an einem Treuetest teilnimmt. Andrea schluchzte nun herzzerreißend, Berit kreischte im Hintergrund, Fabian sagte wieder »öööhm«, und die Moderatorin versuchte das Ganze durch gezielte Fragen in noch dramatischere Bahnen zu lenken, zum Beispiel mit: »Wie lange geht das denn schon so mit euch? Warum tust du das deiner Freundin an?«.
    Autsch! Der Verkehrsfredi und die Wetterfee, die mit im Studio saßen, konnten ihr Kichern und Prusten nicht mehr unterdrücken. Was für Schweine! Aber damit zog man die Hörer an, und ich war ja auch nicht viel besser, wenn ich mir diesen niveaulosen Schwachsinn überhaupt anhörte. Das war wie Frauentausch für die Ohren, wirklich grauenvoll. Trotzdem siegte der Voyeur in mir, und es sah ja auch niemand, was ich tat.
    Ich hörte also weiter zu und war mit Sicherheit nicht die Einzige. Dieser  Treuetest  bei Hamburgs nicht gerade größtem Privatsender Megaradio würde mit Sicherheit Schlagzeilen machen. Fabian ööhmte weiter vor sich hin, Andrea und Berit beschimpften sich am Telefon jetzt so sehr, dass es nur noch piepte, und die Moderatorin versuchte, das Ganze auch noch weiter anzufachen, indem sie rief: »Aber Andrea, nur weil Berit groß, schlank und blond ist und Körbchengröße D hat, ist sie noch lange nicht schuld an dem Desaster!«
    Nach ungefähr einer Minute Gekeife einigten sich beide betrogenen Damen jetzt schnell darauf, dass man auf so einen  piiiep  wie Fabian auch verzichten könnte, er sei sowieso mies im Bett, auch wenn er wohl ganz gut aussah, und während Berit auf Fabian einschlug und ihn anschrie, er solle sofort seine Sachen packen, leitete die Moderatorin gekonnt zum nächsten Beitrag über.
    »Der  Treuetest  ist gestern Nachmittag aufgezeichnet worden«, sagte sie, was erklärte, warum die schlimmen Wörter überpiept worden waren, »und damit bleiben wir gleich beim Thema: Boxen – Weltmeister Klitschko hat seinen Herausforderer Briggs, den er am Freitag k. o. geschlagen hat, gestern im Hamburger Universitätsklinikum besucht und ihm Blumen gebracht. Wir waren dabei. Bis dahin gibt’s noch Herbert Grönemeyer mit  Mensch,  ich wünsch ’nen schönen Montag, Viertel nach neun ist es, guten Morgen, Hamburg.«
    Ich drehte leiser und konzentrierte mich wieder aufs Fahren. Die Scheibenwischer arbeiteten ebenfalls konzentriert, weil es in Strömen regnete, und als ich nach zwanzig Minuten Autobahnfahrt an der Abfahrt Hamburg-Stellingen auf die Kieler Straße bog, beschäftigte mich der  Treuetest  kaum noch. Wer war schon so blöd, sich betrügen zu lassen?
    Ich jedenfalls nicht. Jonas und ich waren seit fünf Jahren und fünf Monaten verheiratet, er war wunderbar und lieb, wir hatten eine vierjährige Tochter, und überhaupt war meine Welt völlig in Ordnung. Nie war ich so glücklich gewesen wie heute. Ich hatte alles, was ich mir wünschte.
    Meine Schwiegereltern hatten uns zum Beispiel vor vier Jahren unser Haus zu Weihnachten geschenkt. Das war wie ein Lottogewinn, könnte man meinen. Aber da alles im Leben einen Haken hat, hatte auch unser Haus einen: Meine Schwiegereltern wohnten nämlich direkt nebenan. Aber auch da gab es eigentlich keine größeren Probleme. Maja ging seit einem Jahr in den Kindergarten, ich ging meiner Arbeit nach, die ich wirklich über alles liebte. Es war alles so super, wie es nur sein konnte. Verliebt, verlobt, verheiratet, alle glücklich, und wenn sie nicht gestorben sind … Happy End. Oder?
    Okay, ein paar kleine Kompromisse musste sicher jeder machen, das war wohl ganz normal. Jonas arbeitete so viel, dass Maja im Kindergarten als Symbol für den Sonntag ihren Papa malte. Manchmal fragte sie, wann er wieder zu uns zu Besuch käme. Und sonntagabends sagte sie leise zu ihm: »Tsüss, Papi, bis zum nächsten Wochenende.« Das drehte mir schier den Magen um. Aber es ließ sich offenbar nicht ändern.
    Morgens ging er um sieben aus dem Haus, abends kam er gegen zweiundzwanzig Uhr. Wenn ich anderen von seinen Arbeitszeiten erzählte, wurde ich meistens ungläubig angeguckt. Sprüche wie »Das ist doch gar keine Beziehung!?« musste ich beiseiteschieben und lang und breit erklären, dass mir das nichts ausmachte,  nein, wirklich nicht, natürlich nicht, warum   sollte  es?! Schließlich waren wir verheiratet, und ich hatte einfach keinen  Grund,  mir Sorgen zu machen. Jedenfalls empfand ich es als relativ

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