Hafen der Träume: Roman (German Edition)
wollte dir sagen, wie sehr mir die Skizzen gefallen haben, die du für die Werft gemacht hast. Sie sind sehr gut.«
Seth zuckte mit den Schultern und bückte sich, um
zwei Stöcke für die Hunde zu werfen. »Ich zeichne nur manchmal.«
»Ich auch.« Sybill wusste, es war töricht, aber sie spürte die Wärme in ihre Wangen steigen, als Seth sie prüfend ansah. »In meiner Freizeit zeichne ich sehr gern«, fuhr sie fort. »Ich entspanne mich dabei, und es macht Spaß.«
»Ja, das glaube ich.«
»Vielleicht zeigst du mir noch mehr deiner Arbeiten, wenn du Zeit hast.«
»Wenn Sie wollen.« Seth stieß die Tür zur Küche auf und ging geradewegs zum Kühlschrank. Ein untrügliches Zeichen, dachte Sybill. Der Junge fühlte sich hier zu Hause.
Sybill warf einen kurzen Blick durch den Raum und ordnete ihre Eindrücke. Auf dem offensichtlich alten Herd simmerte ein Topf, aus dem ein köstlicher Duft aufstieg. Auf der Fensterbank über der Spüle standen mehrere kleine Blumentöpfe aus Ton, in denen Küchenkräuter wuchsen.
Die Arbeitsflächen waren sauber, auch wenn sie leicht abgenutzt wirkten. Unter dem Wandtelefon an einem Ende stapelte sich Papier, das von einem Schlüsselbund am Platz gehalten wurde. In der Mitte auf dem Tisch stand eine Schale mit glänzenden roten und grünen Äpfeln. Vor einem Stuhl, unter den jemand seine Schuhe gekickt hatte, wartete ein halb voller Kaffeebecher.
»Gottverdammter Idiot! Man sollte dem Kerl in den Kopf schießen. Der Wurf ging Meilen zu hoch.«
Beim Klang der wütenden Männerstimme aus dem anderen Zimmer hob Sybill die Brauen. Phillip lächelte nur und ließ Aubrey auf seiner Hüfte turnen. »Baseball. Cam nimmt das Meisterschaftsrennen dieses Jahr persönlich.«
»Das Spiel! Ich hab’s ganz vergessen.« Seth schlug
die Kühlschranktür zu und rannte aus der Küche. »Wie steht es, welche Runde, wer ist dran?«
»Drei zu zwei, die Athletics führen, zweite Hälfte der sechsten Runde, zwei Mann aus, ein Mann auf dem zweiten Base. Jetzt halt den Mund und setz dich.«
»Sehr persönlich«, fügte Phillip hinzu und setzte Aubrey ab, als sie zu zappeln begann.
»Baseball wird oft zu einer persönlichen Konfrontation zwischen dem Publikum und der gegnerischen Mannschaft. Vor allem« – Sybill nickte ernst – »bei den Meisterschaftsspielen im September.«
»Du magst Baseball?«
»Warum nicht?« fragte sie zurück und lachte. »Man bekommt faszinierende Einblicke in die Natur des Menschen, in seinen Mannschaftsgeist und Kampfwillen. Schnelligkeit, Schläue, Finesse und immer der Zweikampf Werfer gegen Schlagmann. Am Ende läuft alles auf Geschicklichkeit, Ausdauer und Mathematik hinaus.«
»Wir werden uns zusammen ein Spiel in Camden Yards ansehen«, beschloss Phillip. »Ich würde allzu gern deine Kommentare hören. Darf ich dir etwas bringen?«
»Nein, danke. Nicht nötig.« Noch mehr Gebrüll und Fluchen drang aus dem Wohnzimmer. »Aber ich fürchte, es ist gefährlich, die Küche zu verlassen, solange die Mannschaft deines Bruders einen Punkt im Rückstand ist.«
»Du bist sehr scharfsinnig.« Phillip umschloss mit der Hand ihre Wange. »Warum bleiben wir dann nicht hier und …«
»Weiter so, Cal!« brüllte Cam im Wohnzimmer. »Dieser Teufelskerl ist einfach großartig.«
»Scheiße.« Seth klang großspurig und selbstzufrieden. »Kein stinkender kalifornischer Außenfeldspieler schafft es, Ripken eins auszuwischen.«
Phillip stieß einen Seufzer aus. »Vielleicht sollten wir
uns auch für die nächsten Runden verdrücken und spazieren gehen.«
»Seth, ich glaube, wir haben uns schon darüber unterhalten, welche Ausdrücke in diesem Haus unerwünscht sind.«
»Anna«, murmelte Phillip. »Sie kommt die Treppe herunter, um für die Einhaltung der Regeln zu sorgen.«
»Cameron, man sollte annehmen, dass du ein erwachsener Mann bist.«
»Das ist ein Baseballspiel, meine Liebste.«
»Wenn ihr beiden nicht mit dem Fluchen aufhört, wird der Fernsehapparat ausgeschaltet.«
»Sie ist sehr streng«, sagte Phillip zu Sybill. »Wir zittern alle vor ihr.«
»Tatsächlich?« Sybill wandte nachdenklich den Kopf zum Wohnzimmer.
Sie hörte noch eine Stimme, die leiser und weicher klang. Es folgte Aubreys feste Antwort: »Nein, Mama. Bitte. Ich will Seth.«
»Es ist okay, Grace. Sie kann bei mir bleiben.«
Der leicht abwesende Ton bei Seth fiel Sybill auf. »Es ist ungewöhnlich, dass ein Junge im Alter von Seth so geduldig mit einem Kleinkind umgeht.«
Phillip
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