Hafen der Träume: Roman (German Edition)
die Brauen hoch. Diese Reaktion hatte er erwartet, wenn auch nicht so unvermittelt. Er hatte sich bereits befohlen, gelassen zu bleiben und die Situation in aller Ruhe zu erklären. »Immer ein netter Willkommensgruß bei den Quinns.«
»Ich dachte, du wärst über das Stadium hinaus, wo du mit deinem Schwanz denkst.«
Nicht ganz so gelassen, wie er sich vorgenommen hatte, stieg Phillip aus dem Boot und baute sich vor seinem
Bruder auf. Auch er erkannte die Zeichen. Cam suchte Streit. »Eigentlich lasse ich meinen Schwanz für sich selbst denken. Obwohl wir häufig einer Meinung sind.«
»Du bist entweder verrückt oder dämlich, oder dir ist alles scheißegal. Hier geht es um ein Kind, um sein Vertrauen und seinen Seelenfrieden.«
»Seth ist davon nicht betroffen. Ich tue alles, um für sein Wohlergehen zu sorgen.«
»Ah, ich verstehe. Du hast sie um seinetwillen gevögelt.«
Phillips Hand schoss vor, krallte sich um Cams Jacke, ehe er seiner aufwallenden Wut Einhalt gebieten konnte. Ihre Gesichter waren einander nahe, hart und kampfbereit.
»Im Frühling bist du mit Anna ins Bett gestiegen. Hast du an Seth gedacht, als sie unter dir lag?«
Cams Faust rammte Phillips Deckung und traf ihn am Kinn. Der Schlag riss ihm den Kopf zurück, doch sein Griff lockerte sich nicht. Der Zorn schaltete seinen Verstand aus, er versetzte Cam einen harten Stoß und wollte sich auf ihn stürzen.
Als Ethans abgewinkelter Arm ihm von hinten die Kehle zuschnürte, stieß er einen wilden Fluch aus.
»Aufhören«, befahl Ethan in seiner gewohnten Ruhe. »Das gilt für beide. Oder ich halte eure Schädel so lange unter Wasser, bis ihr euch wieder abgekühlt habt.« Er schnürte Phillips Kehle noch ein bisschen enger zu, um zu beweisen, dass es ihm ernst damit war, und bedachte Cam mit einem finsteren Blick. »Reißt euch gefälligst zusammen. Oder wollt ihr es Seth noch schwerer machen ?«
»Ich mit Sicherheit nicht«, entgegnete Cam erbittert. »Aber der da schert sich einen Dreck darum.«
»Meine Beziehung zu Sybill und meine Beziehung zu Seth haben nichts miteinander zu tun.«
»So ein Quatsch.«
»Lass mich los, Ethan.« Phillips Stimme klang wieder ruhig, und Ethan gab ihn frei. »Seltsam, Cam. Mein Sexleben hat dich nicht mehr interessiert, seit wir beide ein Auge auf Jenny Malone geworfen haben.«
»Wir sind nicht mehr in der High School, Blödmann.«
»Genau. Und du bist nicht mein Aufpasser. Und du auch nicht«, fügte er, an Ethan gewandt, hinzu. Er wollte eine Erklärung abgeben, weil es ihm wichtig war. Weil die beiden ihm wichtig waren. »Ja, ich habe etwas für Sybill übrig, und ich nehme mir die Zeit herauszufinden, was ich für sie empfinde. In den letzten Monaten habe ich mein Leben in vieler Hinsicht geändert und habe allem zugestimmt, was ihr von mir verlangt habt. Aber, Herrgott noch mal, ich habe ein Recht auf ein Privatleben.«
»Das bestreitet doch niemand, Phil.« Ethan warf einen Blick zum Haus hinüber und hoffte, Seth würde über seinen Schularbeiten oder über einer Zeichnung sitzen und nicht hinter einem Vorhang stehen und heimlich die Szene beobachten. »Ich weiß nur nicht, was Seth über diesen Teil deines Privatlebens denkt.«
»Keiner von euch scheint in Betracht zu ziehen, dass Sybill Seths Tante ist.«
»Genau das ist der Punkt, der mich so auf die Palme bringt«, schoss Cam zurück. »Sie ist Glorias Schwester, und sie hat sich mit Lügen bei uns eingeschlichen.«
»Sie ist zu uns gekommen, weil sie einer Lüge zum Opfer gefallen ist.« Und das ist ein großer Unterschied, dachte Phillip. Ein gewaltiger Unterschied. »Hast du ihre Aussage gelesen, die sie Anna gefaxt hat?«
Cam schnaubte verächtlich und hakte die Daumen in die schrägen Taschen seiner Lederjacke. »Ja, hab’ ich.«
»Hast du dir auch überlegt, welche Überwindung es sie gekostet hat, das zu Papier zu bringen und zu wissen, dass sich die ganze Stadt innerhalb von vierundzwanzig
Stunden das Maul darüber zerreißen wird?« Phillip wartete ab und sah, wie sich Cams Gesichtszüge ein wenig entspannten. »Was verlangst du denn noch von ihr?«
»Ich denke dabei nicht an sie. Ich denke an Seth.«
»Aber sie ist die beste Waffe, die wir gegen Gloria DeLauter haben.«
»Glaubst du, sie steht zu ihrer Aussage?« Ethan zweifelte. »Wenn es hart auf hart kommt?«
»Ja, das glaube ich. Seth braucht seine Familie, seine gesamte Familie. Das ist nur in Dads Sinn. Er sagte mir …« Phillip fasste sich und starrte
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