Hafenmord - ein Rügen-Krimi
erkennen?«
»Nein.«
»Sie hatte nicht mal eine Vermutung?«
»Nein. Ich konnte mit all dem zunächst nicht viel anfangen«, erklärte die Witwe. »Ich vermutete zunächst sogar, er hätte eine Freundin … es klang ja durchaus so. Dann habe ich eine andere Videodatei geöffnet …« Sie brach ab und schloss kurz die Augen.
»Aufnahmen von Mirjam?«, fragte Romy leise.
»Ja … Es war kaum zu ertragen.« Ihre Stimme zitterte. »Ich habe mich dann natürlich auch an den Entführungsfall erinnert und war völlig fassungslos. Mein Mann …«
»War noch mehr auf dem Laptop, das Sie sich angesehen haben?«
Vera nickte. »Es gab noch einen weiteren Film in einem anderen Format. Der Film hieß: Beate Lauber, und ich habe nur einzelne Sequenzen ertragen können. Außerdem waren Dateien mit eingescannten Fotos von zwei Frauen gespeichert.«
»Waren dazu auch Namen angegeben?«
»Maria Bernburg und … Lilly …«
»Arnold?«
»Ja, genau, Lilly Arnold.«
Romy musterte Vera Richardt forschend. »Was haben Sie dann gemacht?«
»Ich habe die Polizei benachrichtigt und Kai als vermisst gemeldet, die Kinder zu meinen Eltern gebracht und mich mit einer Freundin verabredet …«
Die Kommissarin runzelte die Stirn. »Warum all diese Aktivitäten?«
»Ich brauchte Abstand und Zeit zum Nachdenken. Es war so ungeheuerlich … Verstehen Sie das nicht?«
»Doch«, sagte Romy. »Das verstehe ich durchaus.« Verawar längst davon ausgegangen, dass Kai in der Falle saß, und plante in Ruhe die nächsten Schritte.
»Später haben Sie den Laptop neu formatiert und alles gelöscht, was auf die Verbrechen Ihres Mannes hinweisen könnte?«
»Ja.«
»Ohne einen einzigen Moment darüber nachzudenken, dass Sie die Aufklärung fürchterlicher Verbrechen …?«
»Ja.«
»Wann genau war das?«
»Am späten Abend, glaube ich, als ich vom Kinobesuch zurück war.«
»Hm. War das nicht doch ein bisschen voreilig?«, setzte Romy nach. »Was hätten Sie Ihrem Mann eigentlich gesagt, wenn er doch wieder aufgetaucht wäre und sich herausgestellt hätte, dass er sich lediglich einen schönen Tag in Stralsund gemacht und nicht Bescheid gesagt hatte, weil es ihm um ein weiteres seiner reizenden Machtspielchen gegangen war? Und nun musste er feststellen, dass sich jemand an seinem Laptop zu schaffen gemacht hatte … Nach dem, was ich bisher über Kai Richardt in Erfahrung gebracht habe, hätte es ziemlich ungemütlich für Sie werden können. Geradezu erschreckend ungemütlich. Und Sie hätten dann nichts in der Hand gehabt. Gar nichts. Eine ziemlich scheußliche Situation, wenn ich es recht bedenke.«
»Stimmt, das ist ein berechtigter Einwand«, gab Vera zu und schlug ein Bein über das andere. »Aber ich war nach der langen Zeit, die inzwischen ohne Nachricht von ihm verstrichen war, ziemlich sicher, dass etwas passiert war.«
»Ziemlich sicher?« Romy schüttelte den Kopf. »Angesichts der Videos hätte ich an Ihrer Stelle mächtigen Bammel vor ihm gehabt und mir wenigstens eine Sicherheitskopie gemacht«, wandte sie ein. »Um für den Notfall gerüstet zu sein und außerdem beweisen zu können, was er getanhatte, noch zu tun beabsichtigte und, ganz wichtig – ihn damit der Polizei auszuliefern! Das wäre übrigens eine geradezu perfekte Möglichkeit gewesen, ihn auf legale Weise für immer loszuwerden, aber das nur so nebenbei.«
»Na, wissen Sie, so weit habe ich in dem Moment nun wirklich nicht gedacht«, widersprach Vera sofort. »Ich war völlig aufgelöst und wollte diese Scheußlichkeiten einfach nur vernichten und niemals und mit niemandem je darüber reden müssen.«
Das kaufe ich dir nicht ab, dachte Romy sofort. Nach ihrer Überzeugung hatte Vera bisher meistens sehr weit gedacht und noch überlegter gehandelt. Dass ihr Eindringen in Kais Zimmer beobachtet worden war und im Zusammenhang mit entsprechenden polizeilichen Erkenntnissen überzeugende Schlussfolgerungen nach sich gezogen hatte, war ein Schuss vor den Burg gewesen, der sie zunächst aus dem Konzept gebracht hatte. Aber inzwischen war sie bemüht, den Schaden zu begrenzen und ihre Möglichkeiten, halbwegs sauber aus der Sache herauszukommen, erneut abzustecken.
Doch so leicht werde ich es dir nicht machen, dachte Romy grimmig. Aus dieser Geschichte kommt kein Beteiligter sauber wieder heraus. Auch du nicht.
»Ich denke, es war anders«, sagte sie schließlich und bemühte sich, ihre unfreundlichen Gefühle beiseitezuschieben. »Sie haben alle Daten und
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