Hafenmord - ein Rügen-Krimi
parkähnlichen Anlage gruppierten sich in lockerer Anordnung neben einem imposanten Hauptgebäude kleinere Häuserzeilen, in denen vier bis sechs eigenständige Wohnungen untergebracht waren. Pavillons verteilten sich auf einer Wiese um einen Teich. Spaziergänger waren in Gruppen oder paarweise unterwegs. Gediegenes Ambiente für den Ruhestand – für die ganz dicken Geldbörsen.
Beerwald hatte das Gelände erst betreten dürfen, nachdem er sich ausgewiesen und sein Anliegen vorgebracht hatte. Die Leiterin der Einrichtung, eine Frau Ruth Frankental, wie an ihrem Revers zu lesen war, hatte ihm mit strenger Miene und in bestimmtem Ton erklärt, dass das Ehepaar Richardt erst am vergangenen Abend zurückgekehrt und dann über den Tod des Sohnes informiert worden sei.
»Bitte nehmen Sie Rücksicht. Die Herrschaften sind bereits achtzig Jahre alt und vertragen Aufregung nicht mehr so gut.«
»Ich werde mir Mühe geben«, erwiderte Beerwald höflich. »Aber die Polizei ermittelt im Zusammenhang mit einigen ausgesprochen üblen Verbrechen. Die Rücksprache mit den Eltern von Kai Richardt ist unbedingt erforderlich, sonst wäre ich nicht hier. Ich bitte Sie, darauf Rücksicht zu nehmen.«
Ruth Frankental spitzte pikiert die Lippen. Widerworte schien sie nicht zu mögen, und für einen Moment sah es so aus, als wollte sie eine Bemerkung machen, um sich dann zu entscheiden, den Hinweis unkommentiert stehen zu lassen.
»Bitte folgen Sie mir«, sagte sie mit einer gewissen Arroganz in der Stimme. »Die Richardts warten im kleinen Salon, wo sie gerade ein Gespräch mit einem Seelsorger hatten. Dort können Sie nun auch in Ruhe miteinander reden.«
Beerwald folgte ihr durch einen langen Flur, an dessen Wänden Porträts scheußlichster Machart hingen. Kein Porträtierter war jünger als siebzig, jeder hatte irgendeinen fundamental wichtigen Beitrag zum Gedeihen der Einrichtung geleistet, wie auf Hinweistafeln vermerkt war, alle glotzten hochmütig aus dem Goldrahmen auf den Betrachter herunter, und die hellste und freundlichste Farbe war ein ockerartiges Hellbraun.
An einer zweiflügeligen Tür blieb Ruth Frankental stehen, klopfte, drückte die Klinke herunter und ließ dem Kommissar den Vortritt.
»Ich lasse Sie nun allein.«
Zu gütig, dachte Beerwald und trat ein.
Martin Richardt saß in einem roten Ohrensessel am Fenster, doch Beerwald hätte ihn übersehen, wenn er nicht leise gehustet hätte. Der Mann verschwand in seinem Sessel – aber nicht, weil er klein und schmächtig war, sondern weil seine Frau danebenstand und sofort seine Aufmerksamkeit fesselte.
Der Lübecker Kommissar hatte Mühe, in die eisblauen Augen der hageren alten Dame mit den dünnen Lippen zu blicken.
»Frau Richardt, Herr Richardt, ich bin Kommissar bei der Lübecker Kripo«, stellte er sich schließlich vor. »Zunächst einmal möchte ich Ihnen mein Beileid aussprechen und …«
Sie machte eine rasche, wegwerfende Handbewegung, als scheuchte sie ein Insekt davon. »Was wollen Sie?« Die scharfe Stimme passte perfekt zu den Augen.
»Die Polizei hat im Zusammenhang mit dem Tod Ihres Sohnes die Ermittlungen aufgenommen«, erklärte Beerwald.
»Das wissen wir bereits.«
»Kai ist keines natürlichen Todes gestorben, wie zweifelsfrei feststeht. Wissen Sie das auch schon?«
»Ja, aber nicht im Einzelnen. Was ist passiert?«
Beerwald wandte den Blick von Anna Richardt ab und musterte ihren Gatten. Der gab den Blick nur müde zurück und hüstelte erneut.
»Er ist entführt und erschlagen worden.«
Sie zwinkerte, und ihre Unterlippe begann zu zittern. »Er hätte nicht nach drüben gehen sollen. Das habe ich immer wieder gesagt. Hier war doch alles für ihn bereit: Das Hotel hätte ihm ganz allein gehört, aber er wollte nicht und hat sogar noch unseren Geschäftsführer Hinz Posall mitgenommen.«
»Sie hatten ein sehr schönes Hotel in der Innenstadt.«
»Es war ein Schmuckstück.«
»Habe ich richtig recherchiert, dass Kai einen älteren Bruder hatte, der nicht mehr lebt?«, schob Beerwald beiläufig nach.
Martins Kopf ruckte herum, während Annas Gesichtszüge einfroren. »Was tut das hierbei zur Sache?«
»Das Kind ist unter tragischen Umständen ums Leben gekommen.«
Wenn Blicke töten könnten, dachte Beerwald, als Annas Augen sich zu schmalen Schlitzen zusammenzogen.
»Was tut das hierbei zur Sache?«, wiederholte sie.
»Vielleicht sehr viel, Frau Richardt. Kai hat sie all die Jahre immer wieder angerufen, nicht
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