Hafenweihnacht
gschmeckt, gell … was!? Nein, vergesse ich nicht, Staatsweingut Meersburg und Gierer, nein, nein, nein, vergess ich nicht, … Mail, gell. Und tschüß, Franzi.« Zufrieden mit seinen Kontakten legte Gommi auf.
Schielin mied den Berliner Platz und fuhr auf seiner Heimatstrecke vorbei an Köchlin und altem Reutiner Rathaus. Der Weihnachtsbaum machte einen passablen Eindruck dieses Jahr. Droben, im Gasthof Steig, brannte Licht in der Wirtsstube und von der Kuppe ging der Blick herrlich weit in die Bregenzer Bucht. Über das kurze Stück Rickenbacher Straße kam er in den Heuriedweg, wo lange Kolonnen aus Pkws und Lastkraftwagen in beide Fahrtrichtungen zogen. Wie er kurz darauf sehen konnte, herrschte vorne an der Einfahrt zum Edeka einiges Gedränge. Wollte nicht auch Marja heute zum Einkaufen fahren?
Im Empfangsbereich von Eisen Thomann wartete er geduldig ab, bis sich der Andrang etwas gelegt hatte. Er kannte die meisten der Verkäufer hier und einen von ihnen, einen groß gewachsenen Kerl mit kantigem Kinn und wild gelockten schwarzen Haaren, den kannte er besonders gut. Sie trafen sich häufiger beim Hufschmied. Er hatte Schielin gleich entdeckt und warf ihm dezente Blicke zu, die sagten, dass er gleich Zeit für ihn hätte, denn er bemerkte die ernsthafte Geduld, mit der Schielin wartete und die so überhaupt nicht zu einem Kunden passte, der seine Fragen und Wünsche möglichst schnell loswerden wollte.
Es dauerte nicht arg lange, dann konnten sie sich mit einem kräftigen Händedruck begrüßen und Schielin kam in einen ruhigen Nebenraum, wo er den Schlüsselbund auspackte und auf den glänzenden neuen Schlüssel daran deutete. »Der interessiert uns. Könnt ihr uns darüber was sagen? Schaut noch recht neu aus.«
Der Schwarzhaarige nahm den Schlüsselbund in die kräftigen Finger und hielt ihn ins Licht. »Hat das mit dem Toten im Hafen zu tun?«, lautete seine Frage, ohne Schielin dabei anzublicken. Prüfend drehte er die Schlüssel im Licht.
Schielin war konsterniert. Woher konnte er hier schon von einem Toten im Hafen wissen? »Woher weißt du davon?«
»Ist doch vorhin im Radio gekommen. Elf Uhr Nachrichten.«
»In welchem Radio?«, wollte Schielin wissen.
»Ja, Bodenseeradio halt«, lautete die verwunderte Antwort.
So schnell ging das also. Da würde Kimmel ganz schön ins Schwitzen kommen, wenn die Meldung schon im Radio verbreitet wurde.
Er deutete wieder auf den Schlüssel. »Ja, es hat mit dem Toten zu tun. Kannst du was dazu sagen? Da ist auch ein ganz neuer Schlüssel dran.«
»Mhm, der glänzende, ja … der ist nicht nachgemacht. Des ist ein Original. Haben wir sehr oft verkauft, diese Schließanlage. Gerade in der letzten Zeit. Ist solide Arbeit. Die ganzen Neubauten statten wir damit aus. Geht gut. Und er hier ist völlig unbenutzt, ganz ohne Schleifspuren. Der muss ganz neu sein.«
Schielin überlegte. »Und gibt es eine Möglichkeit festzustellen, wer das Schloss in letzter Zeit gekauft hat?«
»Ja, schon, aber des sind net wenige, gell.«
»Wir bräuchten nur die Kunden aus Lindau … und nähere Umgebung vielleicht.«
»Okay, also auch die Lindauer Monde?«
»Monde?«, wiederholte Schielin fragend.
»Ja, Schlachters, Weißensberg, Wasserburg, Hergensweiler …«
»Ja. Monde und Satelliten eingeschlossen.«
Der Schwarzhaarige verschwand und es dauerte eine Weile, bis er wiederkam. In der Hand drei Blatt Papier. Er reichte Schielin die Ausdrucke mit den Kunden, die in den letzten drei Monaten das betreffende Schloss erhalten hatten. Schielin ließ einen fahrigen Blick über die Blätter gleiten, auf denen in kleinster Schrift und Zeile für Zeile Name und Adresse aufgeführt war. Das Geschäft mit Schlüsseln schien nicht schlecht zu laufen. Er bedankte sich und ging. Vom Wagen aus telefonierte er mit Kimmel, der von Gommi bereits von der Radiomeldung erfahren hatte.
*
Robert Funk hatte den ufernahen Weg gewählt, um ins Zech zu kommen, wo die Putzfrau wohnte. Das dauerte zwar ein wenig länger, doch die knorrigen Stämme der Kastanien und Linden, dahinter das wogende Schilfmeer und ab und an ein freier Blick auf den See, das alles war es wert, die Fahrt zu genießen. Lydia saß schweigend im Beifahrersitz und studierte die Unterlagen, auf denen die bisher bekannten Daten der Frau standen, die sie heute Morgen kurz befragt hatte. Funk steuerte den Wagen vorbei an der Versöhnerkirche und gleich nach rechts, in die Immanuel-Kant-Straße, wo Frau Pasternak mit ihrem Mann
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