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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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diskret, was familiäre Angelegenheiten angeht. Aber
als ich ihr erzählte, daß ich so neugierig auf Holmes' Wiederauferstehung war,
daß ich mir sogar die Collier's Weekly aus England habe schicken lassen,
hat sie gesagt, daß Sie den guten Dr. Doyle wegen Holmes' unrühmlichem Ende
am liebsten höchstselbst die Reichenbachfälle hinabgejagt hätten.«
    »Das
ist Jahre her.«
    »Soll
das heißen, es interessiert Sie nicht, was aus dem großen Detektiv geworden
ist?«
    »Richtig.«
    »Wenn
Sie mögen, leihe ich Ihnen The Adventure of the Empty House zur Lektüre
aus.«
    »Ich
sagte gerade...«
    »Wenn
Sie mir bitte in die Bibliothek folgen wollen?« Ohne ihre Antwort abzuwarten,
ging er zur Tür.
    Victoria
blieb am Kamin stehen. »Ich schätze es nicht, wenn man über mich verfügt!«
    Er sah
sie mit einem zerknirschten Gesichtsausdruck an. »Ich bitte höflichst um
Verzeihung für meine Conduite, gnädige Frau. Wir haben selten Gäste in diesem
Haus, deshalb bin ich in Dingen der Etikette ein wenig ungeübt.« Er zog einen Stuhl
zurück und verneigte sich. »Sicherlich sind Sie nach der anstrengenden Reise
müde. Darf ich Ihnen einen Platz anbieten? Ich lasse sofort eine Erfrischung
bringen.«
    Victoria
schmunzelte. »Sie sind ein lausiger Schauspieler, Herr Hopf. Und jetzt zeigen
Sie mir Ihre Büchersammlung!«
    Sie
gingen in den ersten Stock hinauf. Das Treppenhaus war noch schummriger als die
Diele und eiskalt. Ausgestopfte Vögel starrten sie aus dem Halbdunkel an wie
Räuber bei einem Überfall.
    Die
Bibliothek lag über dem Salon. Hopf ließ Victoria vorausgehen. Überrascht sah
sie sich um: Der Raum war hell und anheimelnd und paßte überhaupt nicht in
dieses düstere Haus. In einem Kamin flackerte ein Feuer, davor gruppierten sich
Sessel und ein Tisch, auf dem Bücher und Zeitungen lagen. Der Boden war mit
bunten Teppichen bedeckt, an den Wänden standen Bücherschränke. In einem
zweiteiligen Ahornholzmöbel, dessen Oberteil von vier Kugeln getragen wurde,
waren exotisch anmutende Masken ausgestellt. Daneben befand sich, teils durch
einen Paravent verdeckt, ein holzvertäfelter Durchgang.
    »Die
Bibliothek ist mein Lieblingszimmer«, sagte Hopf. »Ich könnte ganze Tage
zwischen Büchern verbringen.«
    »Ich
auch«, sagte Victoria.
    Während
er die Zeitungen durchsah, studierte sie den Inhalt der Bücherschränke: Die
Hundezucht im Lichte der Darwinschen Theorie, Katechismus der Hunderassen,
Damen- und kleine Luxushunde, Lexika, Werke von Goethe und Schiller, eine
Gesamtausgabe von Grillparzers Dramen, Lutz' Kriminal- und Detektivromane Band
eins bis zwölf, dazwischen die zweibändige englischsprachige Ausgabe der
Leipziger Tauchnitz Edition The Memoirs of Sherlock Holmes. Victoria
widerstand dem Verlangen, einen Band herauszunehmen, und ging zum nächsten Schrank.
»Studieren Sie nebenbei Medizin?« fragte sie.
    Er
legte die Zeitungen beiseite und kam zu ihr. »Nein. Warum?«
    »Geschichte
der Heilkunde, Handbuch der gerichtlichen Medizin, Lehrbuch der praktischen
Toxikologie, Dictionnaire de medicine - ein
ungewöhnlicher Lesestoff für einen Hundezüchter, oder?«
    »Ich
bin ausgebildeter Drogist.«
    »Oh.«
    »Ist
das so ein außergewöhnlicher Beruf?« fragte er amüsiert.
    Victoria
ärgerte sich, daß es ihm schon wieder gelungen war, sie verlegen zu machen. Sie
zeigte auf die beiden Bände Handbuch der gerichtlichen Medizin. »Früher
gehörten Caspers Ausführungen über Leichenerscheinungen zu meiner bevorzugten,
allerdings heimlich genossenen Lektüre.«
    »Ach
ja?«
    »Das
ist mehr als zwanzig Jahre her. Mein Onkel war Arzt und besaß eine gut
sortierte Bibliothek.«
    Hopf
lachte. »Ich nehme an, Ihre Eltern hatten es nicht leicht mit Ihnen.«
    Sie sah
zum Kamin. »Sie wollten mir die neueste Geschichte von Sherlock Holmes zeigen.«
    »Es tut
mir leid, wenn...»
    Flora
stürmte herein. »Malvida hat noch drei Schwestern!«
    »Flora,
bitte! Wie oft muß ich dir noch sagen, daß du anklopfen sollst, bevor du ein
fremdes Zimmer betrittst«, sagte Victoria.
    »Oh.
Entschuldigung.«
    »Schon
gut«, sagte Karl Hopf.
    »Wo ist
denn Vicki?« fragte Victoria.
    »Ihr
Dienstmädchen und Ihre Tochter warten im Salon«, sagte Briddy, die Flora
gefolgt war.
    Flora
strahlte Karl Hopf an. »Benno sagt, du kannst mit einem Säbelschlag einen
ganzen Hammel durchhauen!«
    »Benno
erzählt viel.«
    »Aber ich
hab' den Säbel gesehen. Und deine Degen auch! Und das Zimmer, wo du übst.«
    »Das
ist kein Zimmer,

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