Hahn, Nikola
weil...«
»Hör
auf, solchen Blödsinn zu reden!«
Victoria
sah ihre Älteste überrascht an. Gefühlsausbrüche war sie von ihr nicht gewöhnt.
»Ich bin sicher, daß Herr Hopf dir keinesfalls zu nahe treten wollte.«
»Ja,
bestimmt«, lenkte Vicki ein. »Ich habe mich ungehörig benommen und
entschuldige mich, Mutter.«
Ihr
Gesicht verriet keine Regung. Victoria hätte viel darum gegeben, ihre Gedanken
lesen zu können. Sie sah aus dem Fenster. Der Schnee schien über die Felder zu
tanzen, und für einen Moment glaubte sie, Karl Hopfs grüne Augen schauten sie
aus dem Zwielicht an.
Als sie
in Frankfurt ankamen, war es dunkel. Der Kutscher pfiff nach einem Burschen.
Ein schlaksiger Junge brachte eine Lampe und half beim Aussteigen. Victoria bat
ihn, die Kiste mit Malvida ins Haus zu tragen.
»Haben
Sie's schon gehört?« fragte er.
»Was
denn?«
»Na,
der Mord, gnädige Frau!«
»Welcher
Mord?«
»Na, heut'
mittag auf der Zeil. Beraubt und erschlagen, sagen die Leut'.« Er schüttelte
sich. »Da kriegt man Angst, wenn man bloß drüber redet.« Er nahm die Kiste und
ging voraus.
Louise
öffnete ihnen die Tür. Sie war blaß. »Stellen Sie sich vor, Herr Lichtenstein
ist ermordet worden!« sagte sie statt einer Begrüßung. »Am hellichten Tag.
Mitten in der Stadt!«
»Um
Gottes willen!« rief Victoria.
»Ist
das der Mann, bei dem wir mein Piano gekauft haben?« fragte Flora.
»Wir
gehen nach oben, Florchen«, bestimmte Vicki, aber Flora schüttelte den Kopf.
»Die
Leut' sagen, man hat ihm den Schädel gespalten«, sagte der Junge.
»Aber
warum denn? Er war doch so nett«, meinte Flora traurig.
»Die
Leut' sagen, das Blut ist überall hingespritzt, sogar...«
»Spare
dir die Details gefälligst für deinesgleichen auf!« fuhr Victoria ihn an.
Der
Junge zog den Kopf zwischen die Schultern. »Jawohl, gnädige Frau. Wohin soll
ich die Kiste bitte bringen?«
»In den
blauen Salon. Weiß man denn schon, wer es war?« wandte sie sich an Louise.
Die
Zofe schüttelte den Kopf. »Es soll mehrere Verhaftungen gegeben haben. Die
ganze Stadt ist in Aufruhr. Und überall Polizei.«
»Dann
ist Papa noch gar nicht da?« fragte Flora enttäuscht.
Victoria
strich ihr übers Haar. »Du kannst ihm dein Hündchen morgen zeigen, Liebes.«
»Ich
will aber heute abend, Mama! Bitte.«
»Malvida
ist nach all der Aufregung bestimmt sehr müde. Ich bleibe auf, bis er heimkommt
und erzähle ihm von ihr. Und morgen früh darfst du sie ihm vorstellen.«
»Weckst
du mich auch ganz bestimmt rechtzeitig?«
»Versprochen.«
Flora
wischte sich eine Träne weg. »Bei allem, was dir lieb ist?«
»Bei
allem, was mir lieb ist.«
»Danke,
Mama! Komm, Vicki«, wandte sie sich an ihre Schwester. »Laß uns nachsehen, wie
es Malvida geht.«
»Du
bist ein rechter Quälgeist, Florchen«, sagte Vicki, aber es klang alles andere
als böse. Hand in Hand liefen sie die Treppe nach oben. Nachdenklich folgte
Victoria ihnen. Karl Hopf ist ein faszinierender Mensch - und Mann. Zum
ersten Mal war sie mit ihrer Schwester einer Meinung.
Kapitel
3
Abendblatt
Freitag, 26.Februar 1904
Frankfurter
Zeitung und Handelsblatt
Raubmord auf der Zeil.
Im letzten Raum des
geräumigen vierteiligen Pianofortelagers lag die Leiche vor einem
Bechsteinflügel. Um den Hals war ein Strick acht bis zehn Mal geschnürt, so daß
gleichzeitig Totschlag und Erdrosselung vorliegt.
Die Angehörigen, die Palmengartenstraße 4
wohnen, wurden telephonisch benachrichtigt. Der Ermordete stand in den
fünfziger Jahren und erfreute sich allgemeinen Ansehens. Ein Berichterstatter
meldet noch: Es ist noch nicht festgestellt, was geraubt ist. Man nimmt an,
daß die Bluttat von mindestens zwei Personen verübt worden ist. Die Verbrecher
sind vermutlich auch mit Blut bespritzt gewesen.
Wolff´s telegr. Corresp.-Bureau: Der Krieg in Ostasien
entbehrt noch immer entscheidender Schläge, und es ist keineswegs
ausgeschlossen, daß das Ringen noch recht lange dauert.
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