Hahn, Nikola
genausogut klingt wie ein Bechstein?«
»Und
woher weiß ich, daß Sie nicht schummeln?«
Er
zündete die Kerzen auf dem Flügel an und bedeutete ihr, Platz zu nehmen. »Darf
ich um eine kleine Klangprobe bitten, damit wir einen adäquaten Vergleich
haben?«
»Er lag
in der Blutlache, mit dem Gesicht zur anderen Seite«, sagte Dr. Meder. »Ich
konnte nichts mehr für ihn tun und wollte wenigstens das Seil abnehmen, aber
Schutzmann Heinz hat es untersagt.«
Beck zog
den Toten nach links und drehte den Kopf. »So?«
»Ja.«
Dr. Meders Stimme klang plötzlich rauh.
Lichtensteins
Gesicht war geschwollen, die Augen starrten ins Leere. Haar und Stirn waren
voller Blut, der Schädel zertrümmert. Als Richard die helle Masse sah, die
daraus hervorquoll, lief er würgend zum Fenster.
Beck
lachte. »Man könnte meinen, Sie hätten noch nie eine Leiche gesehen, Herr
Biddling!«
Richard
war nicht in der Lage zu antworten. Er riß das Fenster auf und atmete einige
Male ein und aus. Die kalte Luft tat gut. Er ließ das Fenster offen und ging zu
Beck und Dr. Meder zurück.
»Vergangene
Woche habe ich ein Klavier bei ihm gekauft«, sagte er und starrte auf das Seil
um Lichtensteins Hals. Es war rot und sah aus wie eine Vorhangkordel.
»Ich
habe ihn zuletzt vor etwa einem halben Jahr gesehen«, sagte Dr. Meder.
»Lassen
Sie mich raten: Bei einem Klavierkauf«, bemerkte Beck.
»Nein.
In der Oper, Herr Kommissar«, entgegnete Dr. Meder verärgert. »Wenn Sie
erlauben, würde ich jetzt gerne gehen.«
Beck
betrachtete die Kopfverletzungen. »Ich vermute, die Tatwaffe war ein
scharfkantiges Instrument, vielleicht ein Meißel oder Stichhammer. Oder der
Klavierhocker? Was meinen Sie, Doktor?«
Dr.
Meder zuckte mit den Schultern.
»Wir
sollten Beamte zum Ausmessen und zur Photographie des Tatorts kommen lassen«,
sagte Richard.
Beck
nahm die Lampe und untersuchte die umstehenden Klaviere, den Boden und die Wand
neben dem Fenster. Plötzlich hörten sie aufgeregte Stimmen aus dem
Nachbarraum, eine davon war unschwer als die des Wachpostens zu erkennen.
»Bitte,
Gnädigste! Sie können jetzt nicht...»
»Lassen
Sie mich auf der Stelle durch! Ich habe das Recht, ihn zu sehen!«
Beck
richtete sich auf. »Himmelherrgott! Ist der Kerl nicht mal in der Lage, ein Weib
aufzuhalten?« Er ging nach nebenan.
»Danke
für Ihre Hilfe, Doktor«, sagte Richard.
»Keine
Ursache. Sollten Sie noch Fragen haben, finden Sie mich in meiner Praxis in der
Goethestraße.«
»Was
suchen Sie hier?« hörten sie Beck schreien. »Sie haben die Eingangstür zu
bewachen und dafür Sorge zu tragen, daß Unbefugte keinen Zutritt erhalten!«
»Verzeihen
Sie, Herr Kommissar, aber sie ist
»Ich
gehe nicht, bevor ich ihn gesehen habe«, sagte die Frau.
»Bitte
lassen Sie uns zu ihm«, bettelte eine zweite weibliche Stimme. Man konnte
hören, daß die Sprecherin den Tränen nahe war. »Er ist doch mein Vater...
bitte.«
Als
Richard mit Dr. Meder hereinkam, stand Kommissar Beck in dem Gang zwischen den
Klavieren und versperrte den Frauen den Weg; der junge Polizeidiener verharrte
unschlüssig an der Tür. Die jüngere Frau, ein halbes Kind noch, begann zu
weinen. »Bitte, Herr Kommissar
»Tut
mir leid«, sagte Beck steif. »Solange die polizeilichen Untersuchungen nicht
zur Gänze abgeschlossen sind, bin ich gezwungen, Ihnen den Zugang zu der Leiche
zu verwehren. Sie sollten froh darum sein. Der Anblick ist alles andere als
schön.«
Noch
taktloser konnte man das ja wohl kaum ausdrücken! Richard räusperte sich. »Sie
sind Frau Lichtenstein?« wandte er sich an die ältere Frau. Sie war eine
zierliche Person, etwa Mitte vierzig und elegant gekleidet. Trotz des
schummrigen Lichtes konnte er sehen, wie blaß sie war.
Sie
nickte. »Ich kann es erst glauben, wenn ich ihn gesehen habe.«
»Das
verstehe ich, Frau Lichtenstein. Aber Sie möchten doch sicher, daß wir den oder
die Täter recht bald finden, oder? Und deshalb müssen wir alles genau
untersuchen, und das wird
eine
Weile dauern. Aber ich verspreche Ihnen, daß Sie Ihren Mann sehen können,
sobald es möglich ist.«
Es
gelang ihr nur mit Mühe, die Tränen zurückzuhalten. »Und wann wird das bitte
sein?«
«Wahrscheinlich
morgen nach... Nun, im Anschluß an die Untersuchung durch den Arzt.«
»Sie
meinen nach der Autopsie«, sagte sie tonlos. »Ich verstehe.«
»Wenn
Sie möchten, bringe ich Sie und Ihre Tochter nach Hause«, bot sich Dr. Meder
an.
»Danke.«
Sie schlug die Hände vors
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