Hahn, Nikola
Ankunft geheim gehalten. Das
war auch der Grund, weshalb kein Gefängniswagen zum Transport des Verbrechers
benutzt wurde, sondern eine einfache Droschke. Also keine »offene«
Schutzmannschaft war da, sondern verdeckte, geheime, an der Spitze ein Polizeirat,
mehrere Kommissare, zwei oder drei Dutzend untere Beamte. Sie sahen alle
zufrieden aus, wie Leute, die ihre Pflicht getan und viel Arbeit hinter sich
haben und die sich nun des Erfolgs freuen. Saure Wochen haben sie überstanden.
Ob ihnen nun aber wirklich frohe Feste winken werden?
Pünktlich
läuft der Zug ein. Wo sitzt der sehnlich Erwartete? Ein Mann lehnt sich aus einem Wagenabteil dritter Klasse und gibt ein
Zeichen mit der Hand. Der Wagen wird geöffnet, Stafforst und seine Begleiter
steigen aus. Viele Worte werden nicht gewechselt.
Stafforst
ist nicht geschlossen. Ist dieser blutjunge Mensch mit dem schmalen, schön
geschnittenen Gesicht und den sympathischen Zügen ein Raubmörder, der nach
wohlüberlegtem Plan ein grauenhaftes Verbrechen zur Vernichtung eines
Menschenlebens vorbereitete und kaltblütig durchführte? Er ist sehr
niedergeschlagen, fast gebrochen. Willenlos folgt er seinen Führern, den Kopf
trägt er gesenkt.
Ein
Kommissar faßt Stafforst links, ein anderer Beamter rechts, und in raschem
Schritt wandert man durch einen Seitengang nach der Droschke. Und fort geht es
in gestrecktem Galopp - auch ein Droschkengaul kann ordentlich galoppieren, wenn
es darauf ankommt - nach dem Untersuchungsgefängnis. Die Ordnung und Ruhe wird
nicht im geringsten gestört.
Kapitel
16
Dritte Morgenblatt
Sonntag, 20.März 1904
Frankfurter
Zeitung und Handelsblatt
Von der
Automobilausstellung. Wer die Ausstellung
von 1900, die gleichfalls in der landwirtschaftlichen Halle abgehalten wurde,
mit der heurigen vergleicht, der wird die Kraftfahrzeuge, wie sie sich jetzt
präsentieren, kaum wiedererkennen. Ein Fachmann versicherte uns, daß die Automobilindustrie
auf dem Gipfel der Vollkommenheit und des technisch Erreichbaren angelangt
sei. Diese Aussage mag etwas optimistisch klingen.
GELD auf jeglicher Basis vermittelt prompt und diskret C. Moerwag, Basel.
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84785
Zum
Raubmord auf der Zeil. Das Verhör der
beiden Mörder Lichtensteins dauerte am Samstag bis gegen 6 Uhr nachmittags.
Ihre Angaben lauten noch immer widersprechend. Groß bestreitet nach wie vor,
bei der Ermordung mitgewirkt zu haben.
Man
erzählt sich, daß Radfahrer nachts am hiesigen Gefängnis vorbeigefahren sind
und laut den Namen Stafforst gerufen haben, anscheinend in der Absicht, den
Groß zu warnen.
Auf
Anordnung des Untersuchungsrichters wurde gestern von der Kriminalpolizei
abermals Haussuchung in der Hansteinstraße 13 nach dem geraubten Geld und dem
Revolver vorgenommen.
W ollen Sie wissen, was auf der Zeil verkauft wird?« Kommissar Beck
warf Richard eine Postkarte hin. Richard betrachtete kopfschüttelnd die
Bildnisse von Bruno Groß und Friedrich Stafforst und las den
dazwischengestellten Text.
» Die
verabscheuungswerten Raubmörder, welche
den hochangesehenen Klavierhändler Lichtenstein ermordet und
beraubt
haben. Diese seltene Gelegenheitspostkarte sendet mit den besten Grüßen...Wer kommt denn auf so eine verquere Idee?«
Beck
verzog das Gesicht. »Ein tüchtiger Geschäftsmann, würde ich sagen. Die Leute
schlagen sich darum.«
Richard
legte die Karte beiseite. »Wenn das tatsächlich stimmt, was Stafforst sagt,
dann
»...können
wir nicht nur den Hundezüchter, sondern auch endlich diese Frauenspur zu den
Akten legen. Allerdings hätten Sie das schon früher haben können, wenn Sie auf
mich gehört hätten.«
»Ihre
Intuition in Ehren, aber den Beweis haben wir erst, wenn wir diesen verflixten
Gewichtsstein finden.«
»Durch
Stafforst wissen wir immerhin, daß Groß ihn am Morgen des Tattages in der
Eisenwarenhandlung Hartmann gekauft hat. Und daß er ihn nach dem Mord in der
Nähe des Friedhofs wegwarf. Nachdem die Absuche in der Eckenheimer Landstraße
und im Kühhornshofweg nichts gebracht hat, sollten wir uns als nächstes die
Herfortsche Gärtnerei vornehmen.«
Richard
nickte. »Ich habe schon in Preungesheim angefragt, ob es möglich ist, Gefangene
zum Umgraben des Geländes zu bekommen.«
»Ich
hoffe nur nicht, daß uns Stafforst an der Nase herumführt und das Ding sonstwo
liegt.«
»Seine
Reueschwüre mögen zwar vor allem der Angst um
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