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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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gestorben wäre -bestimmt
hätte ich es irgendwann getan.« Er sah Richard an. »Machen Sie mit mir, was Sie
wollen, aber quälen Sie meine Mutter und Annika nicht mit diesen schlimmen
Fragen. Bitte, Herr Kommissar. Anni ist doch noch ein Kind. Sie...«Er konnte
nicht weitersprechen.
    Richard
legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ist ja gut, Junge.«
    Als
Laura nach Hause kam, traf sie Heiner mit einem Blechkännchen im Flur. »Warum
waren Sie denn nicht beim Prozeß, Herr Braun?«
    »Mir
ist leider was dazwischengekommen. Ich will schnell Milch holen. Gehen Sie
mit?«
    »So
neugierig?« fragte Laura lächelnd.
    »Ach
was!« Er schloß die Haustür, und sie folgten dem Gäßchen bis zu einem kleinen
Platz, in dessen Mitte ein Brunnen mit einer Knabenfigur stand. Heiner
verschwand in einem winzigen Laden.
    »Damit
hat es angefangen«, sagte Laura, als er wiederkam. »Das Fünffingerplätzchen,
das nicht auf meiner Karte verzeichnet war.«
    Heiner
zeigte auf zwei windschiefe Häuser. »Vieles in Altfrankfurt lebt nur in den
Köpfen der Menschen. Wenn ich vorstellen darf: Haderkatze und Hörhorn.«
    Laura
lachte. »Und Sammstachsbärch! Was immer das ist -nach Meinung eines
Perronwärters führt es zu Ihrem Haus.«
    Heiner
kratzte sich am Kinn.
    »Sagen
Sie bloß, das habe ich Ihnen nicht erzählt? Der Samstagsberg ist der höchste
Berg der Welt.«
    Laura
sah ihn ungläubig an, und er lachte. »Ich zeig's Ihnen.« Er brachte die Milch
zurück, und sie gingen zum Römerberg. Heiner wies zu den Häusern, die die
Stirnseite des Rapunzelgäßchens bildeten. »Auf dem Platz davor wurde früher
samstags ein öffentliches Schöffengericht abgehalten. Daher der Name.«
    »Und wo
ist der Berg?«
    »Wir
stehen höher als der Main, oder? Im übrigen gibt es wohl keine zweite Erhebung,
von der es nur eine Stufe bis zum Heiland ist.«
    Laura
folgte seinem Blick und lachte. Restauration E. Heyland, Aepfelwein eigner
Kelterei, prangte auf der Fassade des äußeren rechten Hauses.
    »Ich
lade Sie zu einem Gläschen ein«, sagte Heiner.
    Laura
schmunzelte. »Das tun Sie doch nur, damit ich Ihnen endlich erzähle, wie der
Prozeß war.«
    Am
folgenden Morgen gingen sie zusammen zum Gericht. Der Tag versprach noch heißer
zu werden als der vorangegangene. Keine Wolke trübte den Himmel. Im Entree vor
dem Schwurgerichtssaal drängten sich die Menschen, aber nur wer eine
Eintrittskarte hatte, wurde durchgelassen.
    »Wenn
Sie meine Meinung hören wollen: Ich bin froh, daß Stafforst so redselig ist und
den Groß ordentlich belastet«, sagte Polizeirat Franck zu Kommissar Biddling. »Ein
Schuldspruch allein auf der Grundlage dieser Fingerbilder verursachte mir doch
Magendrücken.«
    »Wenn
Sie erlauben, Herr Polizeirat, ich halte einen Fingerabdruck für wahrhaftiger als
eine Zeugenaussage«, sagte Paul Heusohn. »Und ich bin überzeugt, eines Tages
    »Ihr
junger Mitarbeiter ist reichlich naseweis«, sagte Franck zu Biddling. Laura
sah, daß der Kommissar Mühe hatte, sich ein Lächeln zu verkneifen. Er kam mit
Paul Heusohn zu ihnen, aber viel Zeit zum Reden blieb nicht. Als sie in den
Saal gingen, waren die Zuschauerplätze schon fast vollständig belegt. Gräfin
Tennitz und Biddlings Frau saßen in der vorletzten Reihe, Biddling und Paul
Heusohn setzten sich zu ihnen. Laura und Heiner nahmen am äußeren Rand Platz.
    An der
Wand hinter dem Richtertisch hingen Lichtbilder, die mikroskopische Spuren und
Fingerabdrücke zeigten. Die Sitzung begann mit Zeugenvernehmungen, denen sich
die Sachverständigengutachten anschlossen. Nach dem Gerichtsarzt wurde Dr.
Popp aufgerufen. Er machte umfängliche Ausführungen über die Blutspuren an
Groß' Kleidern und wandte sich den Photographien der Fingerabdrücke zu.
    »Auf
dem linken vorderen Umlegekragen des Ermordeten befand sich eine blutige
Fingerspur, die während der Tat entstanden sein muß, und dieser Abdruck stammt
ganz sicher mit der Fingerzeichnung des rechten Ringfingers des Groß überein.
Groß muß also den Hals des Opfers in gebückter oder liegender Stellung
bearbeitet haben und somit aktiv an der Tat beteiligt gewesen sein.«
    »Wie
können Sie sicher sein, daß dieser Abdruck tatsächlich von dem Angeklagten Groß
herrührt?« fragte der Vorsitzende.
    »Nun...
Um das System zu verstehen, muß man ein wenig ausholen. Philosophen haben
gelegentlich behauptet, das Licht aller Erkenntnis komme aus dem Osten, und so
übernahmen zuerst die Engländer von den Chinesen die Kunst, in den

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