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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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diese Maschine erklären
lassen. Der Dampf kann unmöglich von selbst...«
    »Braun!
Haben Sie die feierlichen Worte unseres Herrn Polizeirats schon vergessen? Sie
sind seit einer Stunde im Ruhestand.«
    »Ich
würde ...«
    »Grüßen
Sie Ihre Frau von mir.«
    »Ja.«
Heiner nahm seine Tasche und ging zur Tür. Sein von unzähligen Fältchen
durchzogenes Gesicht wirkte müde, und Richard wurde klar, daß seinem
Untergebenen der Abschied mindestens so schwer fiel wie ihm selbst.
    »Glauben
Sie ja nicht, daß ich Sie aus der Pflicht nehme. Sollte ich in dieser
verflixten Sache Ihren Rat brauchen, werde ich ihn suchen.«
    »Danke.«
    Richard
schlug die Akte zu. »Herrje! Verschwinden Sie endlich!«
    Heiner salutierte.
»Zu Befehl, Herr Kommissar!«
    Richard
lachte. Vom Flur drangen Stimmen herein. Ein junger Polizist stürzte ins Büro.
Sein Gesicht war rot vor Aufregung. »Herr Kommissar Biddling, Wachtmeister
Braun ... Bitte entschuldigen Sie die Störung! Herr Polizeirat Franck läßt unverzüglich
alle im Haus befindlichen Männer zu sich befehlen. Soeben ist ein Mord auf der
Zeil gemeldet worden!«
    Laura
Rothe nahm ihren Koffer und schaute sich suchend um. Der Centralbahnhof war
viel größer, als sie ihn sich vorgestellt hatte; vielleicht, weil die von
grauen und dunkelblauen Eisenträgern gestützten Perronhallen durch
offengehaltene Wände als Ganzes wirkten. Die Fenster in den seitlichen Umfassungsmauern
gaben wirkungsvolles Seitenlicht. Die Gußteile, die die Granitsockel mit den
schmiedeeisernen Bögen verbanden, waren mit palmblattähnlichen Ornamenten versehen,
die Blechflächen der hohen Bogendächer mit Zierstreifen geschmückt. Es waren
die Details, die dem Bauwerk die Bedrohlichkeit nahmen. Überall eilten Menschen
hin und her, und im Gegensatz zu Laura schien jeder genau zu wissen, wohin er
wollte. Die Bremsen eines einfahrenden Zuges kreischten. Ein Schaffner stieg
aus und rief einem Kollegen etwas zu, aber seine Worte gingen im Getöse eines abfahrenden
Zuges unter.
    »Wo
finde ich bitte die Gepäckaufbewahrung?« fragte Laura einen Jungen in
schmuddeligen Hosen, der auf dem Perron saß und sie interessiert musterte.
    »Ei, do
driwwe.«
    »Wie
bitte?«
    Der
Junge stand auf und deutete grinsend zum anderen Ende der Halle; »Dort drüben,
gnädigstes Fräulein! Wenn ich bitte Ihne Ihrn Koffer tragen dürfte?«
    »Das
ist sehr nett, danke. Aber ich trage ihn lieber selbst.«
    Der
Junge sah sie derart verblüfft an, daß sie lachen mußte. Eine junge Dame, die
ohne Begleitung aus einem Zweite-Klasse-Abteil stieg und auf die Dienste eines
Gepäckträgers verzichtete, kam sicher nicht alle Tage vor. Laura zeigte zum
gegenüberliegenden Bahnsteig, auf dem eine ältere und zwei jüngere Frauen
zwischen Koffern und Körben standen. »Ich glaube, die Herrschaften brauchen
deine Hilfe nötiger als ich.«
    Auf dem
Kopfperron und im Vestibül wiesen Schilder den Weg, und zehn Minuten später
hatte Laura ihren Koffer aufgegeben. Kurz darauf trat sie auf den
Bahnhofsvorplatz hinaus. Nieselregen wehte ihr ins Gesicht. Sie schlug den
Kragen ihres Mantels hoch und spannte ihren Regenschirm auf.
    »Halt!«
    Erschrocken
fuhr sie zusammen, als plötzlich zwei mit Säbeln bewaffnete Schutzmänner
vortraten, die offenbar rechts und links des Eingangs gestanden hatten. Grimmig
musterten sie einen schmächtigen jungen Mann, der in den Bahnhof hineingehen
wollte.
    »Wer
sind Sie? Wohin wollen Sie?« fragte einer der Beamten in scharfem Ton. Er hatte
einen martialischen schwarzen Bart und trug ein goldenes Portepee. Der Mann
stotterte etwas Unverständliches.
    Laura
sah, daß auch die anderen Eingänge von Schutzleuten bewacht wurden, die ohne
Ausnahme jeden, der in den Bahnhof hineinwollte, kontrollierten. Was hatte das
zu bedeuten? Sie spürte die Blicke des bärtigen Polizisten und ging rasch
weiter. Das fehlte noch, daß man sie festhielt oder sogar mit zur Wache nahm.
Sie überquerte den Platz und stieß fast mit einem Fahrradfahrer zusammen, der
ihr wütend etwas hinterherrief, das sie nicht verstand. Vielleicht wäre es besser,
mit der Trambahn zu fahren? Andererseits hatte sie genügend Zeit, und ihr Geld
würde sie für wichtigere Dinge brauchen. Außerdem bot der Gang zu Fuß eine
erste Möglichkeit, sich in der Stadt zu orientieren. Während der vergangenen
Wochen hatte sie alles gelesen, was sie an Informationen über Frankfurt am Main
hatte auftreiben können, und sie war gespannt, ob die Bilder in ihrem Kopf

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