HahnBlues | Ein Rhein-Mosel-Krimi
nicht gleich jeder wissen, dass er eben über eine Leiche gestolpert war.
„Wenn Sie von der Telefongesellschaft sind, dann ziehen Sie sich warm an!“ Eine steile Falte hatte sich zwischen ihren Augenbrauen gebildet. Eine Zornesfalte, die Kaltenbach sehr erotisch fand.
„Sie brauchen Hilfe von der Telefongesellschaft?“, stutzte der Reporter.
„Schon seit Tagen“, nickte sie. „Und seit Tagen warte ich auf Sie.“
„Ja … aber wer sind dann Sie?“ Kaltenbach verstand die Welt nicht mehr.
„Manderscheid, Beatrice Manderscheid. Sie wollten doch zu mir, oder?“
Bernd Kaltenbach wich einen halben Schritt zurück. Scherzte die Frau mit ihm?
„Hören Sie, das ist nicht der richtige Zeitpunkt für schlechte Witze“, murmelte er schließlich und zog die Frau von der Haustüre weg. Er führte sie in den Schatten eines weit ausladenden Baumes.
„Ich scherze ja auch nicht“, behauptete die Frau. „Sagen Sie mal, haben Sie getrunken?“
„Nur ein einziges Bier zum Mittag – ich schwöre.“ Kaltenbach grinste wieder und hielt ihr die Hand hin. „Bernd Kaltenbach, angenehm. Ich bin Reporter und recherchiere gerade an einer Geschichte zum Hahn.“
„Zum Hahn?“ Sie presste die Lippen zusammen und nickte.
„Und wer sind Sie wirklich?“, fragte Kaltenbach ungeduldig.
„Sie scheinen das Bier wirklich nicht zu vertragen, Herr Kaltenbach.“ Nun lächelte sie ihn entwaffnend an. Ihr Zorn auf die Telefongesellschaft schien verflogen zu sein. „Mein Name ist Beatrice Manderscheid – und wenn Sie wegen des Hahn zu mir kommen, dann kann ich mir schon gut vorstellen, welche Fragen Sie an mich haben.“
Kaltenbach runzelte die Stirn. Schön, dass die Frau so kooperativ war, scheinbar hatte sie noch mit irgendjemandem eine Rechnung offen. Allerdings hatte er die Situation immer noch nicht recht verstanden. Wenn diese Frau vor ihm tatsächlich Beatrice Manderscheid war – wer war dann die Tote in der Dachgeschosswohnung?
„Hier wird gleich die Polizei auftauchen“, murmelte er ein wenig zusammenhanglos. „Sie bewohnen doch die Dachgeschosswohnung dieses Hauses, oder?“
„So langsam verstehen Sie mich.“ Ironie schwang in ihrer Stimme mit.
Kaltenbach führte Beatrice Manderscheid zu der kleinen Betonmauer, die eine Reihe von Pkw-Stellplätzen eingrenzte. Sie setzte sich, er blieb vor ihr stehen und beobachtete die Frau aufmerksam. Hinter dem Mäuerchen gab es einen kleinen Garten. Eine Hummel taumelte zwischen den tiefroten Rhododendronblüten umher. Die beiden Kirchtürme von Kastellaun schälten sich aus dem Dunst der Anhöhe.
„Ich will Sie nicht erschrecken, aber ich war gerade in Ihrer Wohnung. Dabei habe ich in Ihrem Wohnzimmer eine tote Frau gefunden. Erschossen, um genau zu sein.“
„Das kann nicht wahr sein.“ Sie schüttelte den Kopf, und Kaltenbach sah, wie sie von einer Sekunde zur anderen kreideblass wurde. „Wie soll diese Frau, wer immer sie auch ist, denn in meine Wohnung gekommen sein?“
„Als ich kam, war die Wohnungstür nur angelehnt.“
„Sie … Sie haben die Frau umgebracht!“
„Um Gottes willen“, zischte Kaltenbach eilig. „Nein, bestimmt nicht! Ich kenne die Frau doch gar nicht!“ Er blickte sich aufgeregt um. Ungebetene Zuschauer waren das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite hielt ein Caddy der Post. Der Fahrer sprang aus seinem Fahrzeug, ließ den Motor laufen und warf eine Sendung in einen der Briefkästen ein, dann nickte er dem seltsamen Pärchen an der Mauer zu, stieg wieder in den kleinen Kastenwagen und gab Gas.
„Ich will sie sehen“, wisperte Beatrice Manderscheid tonlos, als sich das Tuckern des Dieselmotors entfernt hatte. Sie stierte ins Leere, dann blickte sie mit entschlossener Miene zu ihm auf. „Ich will sie sehen“, wiederholte sie und stand auf.
„Kommen Sie.“ Sie gingen zum Hauseingang zurück, und er stellte betrübt fest, dass die Tür ins Schloss gefallen war. Doch wie selbstverständlich zog sie einen Schlüssel hervor und öffnete. Sie betraten das Treppenhaus; Kaltenbach genoss die hier herrschende Kühle und folgte der Frau unter das Dachgeschoss. Während Beatrice Manderscheid vor ihm die Treppe hinaufging, hatte er ihren Hintern auf seiner Augenhöhe – kurz vergaß er den Schrecken und genoss die angenehme Ablenkung.
„Die Tür steht immer noch auf“, entfuhr es ihr, als sie oben angekommen waren.
„Ich habe sie extra nicht zugezogen.“
Sie nickte und
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