Haie an Bord
sprangen in den Pool, schwammen ein paar Runden wie Delphine, von den Frauen bewundert, den anderen Männern scheel angesehen, kletterten dann wieder an Deck und entfernten sich in einem leichten Trab zu den Kabinen. Von der kleinen Seitenbrücke aus beobachtete sie der I. Offizier. Kapitän Meesters lehnte an der weißen Stahlwand des Radaraufbaues und rauchte eine Pfeife. Das Schiff führte jetzt der II. Offizier.
»Diese vier werden für Unruhe sorgen«, lachte Abels. Wie prophetisch, nur im anderen Sinne, seine Worte waren, ahnte er nicht. »Sie sollten nur mal die giftigen Blicke der anderen Männer sehen und die Unruhe unter den Frauen, wenn die vier Adonisse auftauchen. Die Stewards sollten die Betten von 101 und 103 sicherheitshalber abstützen …«
Etwas abseits von dem bunten Bordgetriebe, in einem Baumwollhemd und weißen, knielangen Shorts, die Pfeife zwischen den Zähnen, eine weißblau karierte Sportmütze auf dem weißen Haar, stand Lord McHolland zwischen den Rettungsbooten und blickte über das Meer. Ein Engländer allein mit dem Element seiner Nation: der See. Für ihn war diese Kreuzfahrt entlang der arabischen Küste bis zum Schatt-El-Arab die letzte Erfüllung seines reichen Lebens. Er wollte sie in Stille genießen. Dann würde er sich zurückziehen auf sein Landgut Baldmoore hoch oben in Schottland und Gott danken, so vollkommen gelebt zu haben. Er blickte zur Seite, als er Schritte hörte. Ein Mann in einer Offiziersuniform und einem Äskulapzeichen auf dem linken Arm kam vorbei.
»Sie sind der neue Schiffsarzt?« fragte McHolland und nahm die Pfeife aus den Zähnen. Dr. Wolff blieb stehen. »Freut mich, Sir. McHolland.«
»Wolff.« Er hatte die Passagierliste überflogen, lauter gute Namen, aber hinter dem Namen von Lord McHolland hatte man mit Rotstift ein Kreuzchen gemalt. Wichtige Person. Ein Teil Ihrer britischen Majestät fährt mit ihm mit.
»Ich weiß. Dr. Bender erzählte mir von seinem Nachfolger. Ich informiere mich immer zuerst über die Ärzte, wenn ich irgendwo hinkomme. Ich habe Durchblutungsstörungen in beiden Beinen und muß ständig diese Mittel nehmen, die das Blut verdünnen. Man hat mich zum künstlichen Bluter gemacht. Ich sage Ihnen, ein verteufeltes Gefühl. Deshalb ist es gut, einen vernünftigen Arzt in der Nähe zu wissen. Dr. Bender nannte Sie sehr vernünftig.«
»Danke, Lord McHolland.« Wolff war es peinlich, immer wieder von Benders Lobreden überschüttet zu werden. Dabei kannten wir uns nur sieben Stunden, dachte er. »Ich bin immer zu erreichen. Tag und Nacht.«
»Logisch.« McHolland zeigte auf das Meer. »Wo wollen Sie auch hin, junger Mann?«
Sie lachten sich an, McHolland drehte sich wieder dem Meer zu, Dr. Wolff ging weiter, und doch war diese Begegnung für beide zu einem Schicksal geworden. Sie wußten es nur noch nicht.
Am Abend, nach dem Essen, während des Bordballs im großen Saal, wo jetzt die ersten, zur Entwicklung bereiten Kontakte geknüpft wurden, bei Tanz und Lachen, Konfetti und Luftballons, Flirt und Küssen, leeren Worten und massiven Lügen, schüttelte ein heftiger Windstoß die ›Fidelitas‹ durch. Die fröhliche Gesellschaft im Saal merkte es kaum, die Stabilisatoren des Schiffes fingen alles auf, man schwankte nur leicht … aber auf Deck polterten die Liegestühle durcheinander und krachten gegen die Wand.
In einem der Stühle lag, in Decken gewickelt, eine Frau, die nicht mehr aufspringen konnte, als der plötzliche, völlig unerwartete Windstoß das Schiff traf. Sie prallte gegen ein Geländer, rollte ein paar Meter über Deck, klammerte sich an einer Stange fest, stand dann auf und merkte, daß sie am Bein, oberhalb des Knies blutete. Ihre Schulter brannte, der linke Arm war gefühllos und ließ sich nicht mehr bewegen.
Jede andere Frau hätte jetzt geschrien, um Hilfe gerufen, nach einem Steward gesucht. Diese Frau nicht. Sie blieb stumm, schwankte ein wenig, faßte sich an das linke Schultergelenk und ging dann mit tastenden Schritten zur Treppe des Kabinenganges.
Dr. Wolff, der gerade in dem Lazarettagebuch blätterte, ein Buch, das Dr. Bender mit giftigen Bonmots gespickt hatte, sprang auf, als die Tür aufflog und eine Frau hereinkam, über deren rechtes Bein das Blut lief.
»Bleiben Sie sofort stehen!« rief er. »Ich trage Sie weiter. Ist denn niemand dagewesen, der Ihnen …«
Er rannte um den Tisch herum, aber die Frau ging weiter, setzte sich auf die Untersuchungsliege und streckte das blutige Bein
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