Halb verliebt ist voll daneben - Roman
was soll das, Rachel?«, kreischte ich, den Kopf in die Nackenstütze gepresst.
»Ich liebe dieses Auto!«, schrie sie und lächelte mich an.
»Und ich liebe mein Leben!«, wimmerte ich neben ihr.
Ich wollte mir einen ersten Eindruck von L.A. verschaffen, aber bis jetzt sah ich nur Haarsträhnen vor meinem Gesicht. Vor einer Ampel blieben wir stehen.
»Haben wir gewonnen?«, fragte ich sie.
»Wie bitte?«
»Den Grand Prix.«
Rachel lächelte.
»Es geht hier nur langsam voran. Zu viel Verkehr.«
»Pah. Woher kennst du denn Erin?«
»Erinner mich nicht dran«, sagte Rachel schaudernd.
»Erzähl es mir, Rachel.«
»Das war in meinem früheren Leben.«
»Ach du liebe Zeit. Redest du vom ausschweifenden Leben einer ehemaligen Klosterschülerin?«
»Genau das. Ihr Dad ist Pastor oder wie immer man das hier nennt. In New York. Und er hat mich beim Sex in seiner Kirche erwischt.«
»Ich kann nicht glauben, dass du so was gemacht hast«, flüsterte ich entsetzt.
Rachel und ich hatten keine normale Schule besucht, wir waren auf einer Klosterschule gewesen, von Nonnen unterrichtet. Und ich kann mich ganz sicher nicht daran erinnern, dass sie uns was von Schäferstündchen an geheiligten Orten erzählt hatten.
»Ich ging da mit einem Typen, der dort wohnte. Uns war langweilig. Erins Dad ist so was wie ein Promi-Prediger, und wir fanden es lustig, ein Nümmerchen in seiner Kirche zu schieben.«
»Aha.«
»Die beste Tageszeit für ein Nümmerchen in einer Kirche ist im Allgemeinen die Mittagszeit. Der Geistliche isst gern, und so hat man normalerweise seine Ruhe.«
»Ein guter Tipp fürs Leben.«
»Aber nicht so Erins Vater. Erins Vater spürte, dass in seiner Kirche ein paar Seelen gerettet werden mussten. Er kam aus seiner Wohnung und verlangte, dass wir uns anzogen und danach gemeinsam mit ihm aßen. Also saßen wir wie die heilige Familie zum Essen um den Tisch.«
»Aber der Pastor hatte deine Genitalien gesehen!«, würgte ich heraus.
»Hm. Da hat Erin mich mit diesem ›Du-wirst-in-der-Hölle-verrotten‹-Lächeln angesehen und gesagt: ›Es ist nie zu spät, Gott zu finden, weißt du, er hört dir immer zu.‹ Oder irgendwas in der Art. Jedenfalls erwiderte ich darauf: ›Wir haben doch nur versucht, meinen G-Punkt zu finden.‹ Aber das war eine Antwort, die nicht gut ankommt, wenn man mit einer fünfzehnjährigen Pastorentochter beim Mittagessen sitzt. Also baten sie uns, zu gehen.
Weißt du, erst haben sie uns gegen unseren Willen gezwungen, mit ihnen zu Mittag zu essen, obwohl wir nicht mal Hunger hatten – wir hatten nämlich den ganzen Tag gekokst. Und dann sollten wir plötzlich gehen.«
»Ich fand sie ziemlich nett.«
»Das ist gut, denn du bist mit ihr im selben Hotel.«
»Wird das für dich nicht ein wenig seltsam, wenn du sie wiedersiehst?«
»Ich bezweifle, dass sie mich wiedererkennt. Ich hatte damals einen schwarzen Bob. Aber ich werde sie garantiert wiedererkennen.«
»Jetzt erzähl mir, wie es mit Eamonn läuft.«
»Ach Sarah, es ist schrecklich.«
»Wieso?«
»Ich sehe ihn überhaupt nicht mehr. Er arbeitet den ganzen Tag.«
»Er ist hier, um einen Film zu drehen, Rachel!«
»Ja, schon, aber in London hatten wir so viel Zeit zusammen. Es war himmlisch. Jetzt kriege ich nur noch den müden Eamonn zu Gesicht, der abends neben mir ins Bett fällt.«
»Das ist sicher nur vorübergehend.«
»Hm«, stimmte sie mir traurig zu.
Wir schwiegen eine Weile. Ich musste an Simon und dieses verdammte Foto denken.
»Was ist The Secret ?«
»Ein Selbsthilfebuch.«
»Nein! Das Geheimnis einer guten Beziehung.«
»Weiß nicht.« Sie überlegte einen Moment. »Oh, Eamonn hat es gern, wenn ich ihn an dem Stückchen zwischen seinen Eiern an …«
»Rachel! Das meinte ich nicht.«
»Was meinst du dann?«
»Ich … äh … ich weiß auch nicht so recht, aber ich glaube nicht, dass die Antwort im Geschlechtsverkehr liegt.«
Rachel sah mich mit hochgezogener Braue an. »Da wärst du aber überrascht.«
Wir waren in eine geschäftige zweispurige Küstenstraße eingebogen. Das hier war Baywatch, Beverly Hills 90210 und The Lost Boys zusammen und ich mitten drin. Ich hatte das Gefühl, mich auszukennen, weil ich diese Straße so oft im Fernsehen gesehen hatte. Das Tollste an L.A. waren aber weder die Sonne noch der Ozean, sondern die Tatsache, dass hier jeder wie Rachel Bird aussah. Kein Hässlicher weit und breit. Und hätte man Punkte für Attraktivität verliehen, hätte keiner weniger
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