Halb verliebt ist voll daneben - Roman
Das hatten wir schon alles geplant.
An diesem Morgen probierte ich das rosafarbene Kleid an. Es sah aus, als hätte man Miss Piggy auf den Grill gelegt und vergessen umzudrehen. Aber allein schon der Gedanke an das eng anliegende schwarze Kleid auf meinem sonnenverbrannten Fleisch trieb mir akute Schmerztränen in die Augen.
Inmitten dieses dermatologischen Dilemmas wählte ich zu meiner eigenen Überraschung plötzlich die Nummer von Rachel Bird, um ihren Rat einzuholen. Und diese überraschte mich wiederum damit, dass sie sich sofort in ihr Auto setzte und mir zu Hilfe eilte.
»Sieh mal, das habe ich dir mitgebracht«, sagte sie.
Sie hielt ein schwarzes Polokleidchen hoch. Es säße selbst an einer Peperami noch knapp.
Traurig schüttelte ich den Kopf.
»Wem gehört das? Barbie?«
»Na gut, hier ist noch eine Alternative, was anderes konnte ich nicht finden.«
Sie zog ein gewaltiges Stück Stoff mit Ethnomuster aus ihrer Tasche. Ich starrte es an.
»Sieht aus wie ein Wandbehang.«
Einen Moment lang wirkte sie verunsichert.
»Es ist ein Wandbehang.«
Rachel Birds Vorschlag, dass ich einen Wandbehang tragen sollte, war wirklich völlig abgefahren.
»Ich dachte, es könnte wie ein Sarong aussehen.«
Ich verzog das Gesicht, obwohl das wehtat.
»Nicht weinen, Sarah, nicht doch.«
Rachel wusste nicht, was sie tun sollte, also stürzte sie sich mit offenen Armen auf mich. Es sollte eine Umarmung werden, doch offenbar sah man mir mein Entsetzen an.
»Oh, entschuldige, nicht berühren«, fiel ihr ein und sie wich zurück.
»Ich werde jetzt ein bisschen heulen, Rachel. Es ist alles in Ordnung mit mir, ich muss nur ein paar Tränen vergießen.«
Ich bemühte mich aufrichtig, nicht in Selbstmitleid zu baden. Aber noch so viele positive Gedanken konnten nicht über diese Tatsachen hinwegtäuschen:
Ich würde eine Leseprobe für einen Film machen, einen amerikanischen Akzent imitierend, wobei die meisten Leute im Raum echte Amerikaner waren.
Es gab eine Szene, in der ich umgebracht wurde. Dazu gehörten Weinen, Schreien, Sex und Sterben, wohingegen mein Erfahrungshorizont sich hauptsächlich auf komische Rollen und die kleiner Verkäuferinnen beschränkte.
Ich sah aus wie ein Paprikahühnchen, das mit zu viel Paprikapulver eingerieben worden war.
Meine gesamte Vorderseite schmerzte unerträglich.
Mein Freund war von Babys und seiner Exfreundin besessen.
Während die Tränen flossen, entdeckte Rachel Bird einen mit Ketchup verschmierten Teller, der von meinem Zimmerservicegelage am Vorabend stehen geblieben war.
»Was war das?«
»Ein Burger.«
»Sag, dass das nicht wahr ist?« Rachel stöhnte entsetzt auf.
»Doch, er war super.«
Amerikas Beitrag zur internationalen Küche in Form von einem Stück Fleisch, das man zwischen zwei Scheiben Brot klemmte, hatte ich nie richtig ernst genommen. Aber dieser Burger war eine Offenbarung. Er war Ausdruck von Schönheit und Liebe, und ich hatte vorgehabt, mir am Abend noch einen kommen zu lassen. Bis jetzt. Aber das erzählte ich Rachel besser nicht.
»Mach das nie wieder!«, sagte sie streng. Dann schien ihr eine Idee zu kommen, denn plötzlich schwenkte sie um und frohlockte: »Ich hab’s! Unten gibt es einen Souvenirladen. Dort verkauft man Kapuzenshirts. Ich hol dir eins. Das kannst du obenrum tragen, den Wandbehang wickelst du dir um die Hüften.«
Normalerweise würde ich beim Gedanken an einen Stilmix aus Heimtextilien zu Sportbekleidung, noch dazu bei tropischen Temperaturen, protestieren, aber unter diesen Umständen hielt ich mich zurück. Ich reichte Rachel mein Portemonnaie. Sie verließ das Zimmer, und ich ließ mich mit meinem Skript aufs Bett fallen. Ich las die erste Zeile, die ich zu sprechen hatte. Dabei gab mein Magen vertraute Gurgellaute von sich und binnen zwanzig Sekunden saß ich bereits zum sechsten Mal an diesem Morgen auf dem Klo. Ich fragte mich, ob Kate Winslet
sich auch so auf ihre Rollen vorbereitete. Als ich in mein Zimmer zurückkam, klingelte mein Handy. Bitte, lieber Gott, flehte ich, lass jemanden anrufen und mir ausrichten, dass man die Leseprobe abgesagt hat.
»Baby?«
»Simon.«
»Ich wollte dir nur viel Glück wünschen.«
»Danke.«
»Ich wollte dir sagen, dass du ganz hervorragend sein wirst. Ich dachte mir, du bist sicherlich so nervös, dass du dir für England die Seele aus dem Leib kackst.«
»Das habe ich bereits.« Ich musste lachen.
Einen Moment lang sagten wir nichts. Es war so schön, ihn zu hören, auch
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