Halb verliebt ist voll daneben - Roman
nur Glück bei einem einäugigen betrunkenen Iren gehabt. Was macht man also, wenn man das nächste Mal ausgeht? Man trägt zu viel Make-up auf und bemüht sich so sehr, dass nicht mal ein Einäugiger einem einen zweiten Blick schenkt. Jegliche Natürlichkeit, die einem einmal zu eigen war, geht verloren, wenn man unbedingt geliebt werden will.
Ich schaffte es tatsächlich, mich zu konzentrieren, obwohl ich mir während der ganzen Leseprobe Leo Clements an meiner Seite nur allzu bewusst war. Ich konnte seinen frischen Männerschweiß riechen. Nach gebratenem Speck ist dies mein Lieblingsduft.
Uns allen wurde klar, dass dieser Film irre gut werden würde. Eamonn Nigels ist einer der erfolgreichsten britischen Regisseure in Hollywood. Er ist bekannt dafür, dass er seine Filme mit überwiegend unbekannten Schauspielern besetzt. Er mag es nicht gern, oder genauer gesagt, »findet es beschissen, verzeiht mein Französisch«, mit den Egos zusammenzuarbeiten, die die Hollywoodsuperstars gern vor sich her tragen. Jedoch sind durch seine Filme viele Superstarkarrieren lanciert worden. Was
aber nicht heißen soll, dass ich damit rechnete, ins durchgeknallte Land des Ruhms gelupft zu werden. Ich hatte schließlich nur siebzehn Zeilen zu sprechen, von denen drei aus zwei »Jas« und einem »Hm« bestanden. Ich fand es allein schon erstaunlich, Teil einer derart versierten Truppe zu sein. Hätte meine Haut Berührungen zugelassen, hätte ich mich an jenem Morgen garantiert gezwickt.
Sobald die Leseprobe vorbei war, entspannten sich alle und lächelten und liefen aufgeregt umher. Das heißt, die anderen taten das. Ich blieb einfach sitzen. Ich hatte noch immer Herzklopfen. Ich wollte diesen Job unbedingt gut machen. Erin kam auf mich zu.
»Gut gemacht, Sarah.«
»O danke, Erin.«
»In dieser letzten Szene hatte ich richtig Angst um Sie.«
»Sie haben mich zum Weinen gebracht. Sie waren so perfekt, Erin.«
Lob schien ihr unangenehm zu sein.
»Ihr Gesicht sieht schon viel besser aus.«
»Hmm.«
»Sie sind definitiv auf dem Weg der Besserung.«
»Ich musste lachen, als Eamonn ›Brust‹ sagte.«
»Tatsächlich? Ist mir nicht aufgefallen«, sagte sie und lächelte höflich.
Als Eamonn die Bühnenanweisungen vorlas, während ich meine Szene mit Leo durchging, sagte er: »Seine Hand greift nach ihrer Brust. Ihre Brustwarze wird hart unter seiner Berührung.«
Ich kicherte, als wäre ich sieben. Doch da es eine Vergewaltigungsszene
ist, versuchte ich mein Kichern in einen Schrei umzumünzen. Am Ende klang es, als hätte ich mich auf eine Katze gesetzt.
Sobald ich fertig war, sprang Leo vom Tisch auf. Er sagte kein Wort zu mir. Ich nahm an, dass er sich sofort ans Telefon hängen würde, um mit seinem Agenten eine Neubesetzung meines Parts auszuhandeln.
Eamonn schloss Erin in seine Arme.
»Wunderbar. Ich finde es sehr aufregend, mit dir zu arbeiten.«
Ich senkte meinen Blick, wie man das tut, wenn ein Regisseur eine andere Schauspielerin lobt.
»Und du!«, rief er aus und umklammerte meine Schulter mit seiner Hand.
»EAMONN!«, brüllte ich.
»Es hat mir gut gefallen! Du hast sie so warmherzig gemacht, Sarah. Und sie war so lustig. Fantastisch!« SO EIN QUATSCH.
»Aber da war doch noch was, was mir sehr gefallen hat. Was war es noch mal? O ja! Am Anfang der Mordszene hast du so mädchenhaft gekichert.« Seine Augen begannen zu glänzen, während er sprach. »Ich habe nur die schreckliche Seite gesehen, denn schrecklich ist es ja. Aber du hast Recht. Der Schrecken kommt später. Anfangs umwirbt er dich. Er will dich. Da ist ein Mann mit dir zusammen in einer Hecke. Es ist Nacht. Er sieht gut aus. Er ist sexy. Und DANN wird es abscheulich«, sagte er schaudernd. »Fantastisch!«
Plötzlich stand Leo mit einem Teller in der Hand hinter Eamonn. Er hatte sich also nur etwas zu essen geholt. Nach seinem Lauf hatte er bestimmt Hunger.
»Ah, Leo. Großartig. Ich habe mich gerade mit Sarah über die Vergewaltigungsszene unterhalten. Ich fände es gut, wenn sie wie eine zärtliche Liebesszene beginnt und dann düsterer wird. Wir wissen nicht, ob sie erregt ist, ob er hart zur Sache geht oder ob … entschuldigt, ich denke laut. Das mache ich immer, wenn mich die Begeisterung mitreißt.« Er unterbrach sich und lächelte. »Es wird großartig werden. Gut gemacht, Leo. Willkommen an Bord!«
Eamonn und Leo schüttelten einander die Hände. Ich schaute auf den Teller. Es sah aus, als lägen lauter feuchte Waschlappen
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