Halb verliebt ist voll daneben - Roman
Lautstärke.
Der Mann, der auf seine Bohnen wartete, rieb sich die Ohren.
»Ich hab sie noch gar nicht aufgemacht«, schrie ich lachend und weinend und tupfte mir mit der Serviette meine Wange ab. »O ich danke dir, Gott!«
»Nun mach sie schon auf, verdammt, Sare.«
»Gut.«
Ich atmete ein paar Mal nervös ein und aus. Dann öffnete ich die SMS und fing zu lesen an. Julia beugte sich über meine Schulter.
Sare. Dieser Trolley gehört Ruth. Ich komme irgendwann vorbei und hole ihn ab.
»Wichser«, sagte Jules, und das schockierte mich.
»Er ist kein Wichser, Jules, der Wichser bin ich.«
Julia sagte: »Pah.«
»Nicht mal ein blöder Kuss«, sagte ich traurig.
42
Den Trolley hätte Ruth mir ruhig lassen können. Andere hätten sich damit begnügt, den Freund auszuspannen. Nicht so Ruth. Sie wollte auch noch das Gepäck.
»Gefällt dir vielleicht sonst noch was, Ruth?«, murmelte ich, während ich begann, auszupacken. »Der Kühlschrank? «
Simon würde vorbeischauen und ihn irgendwann abholen. Irgendwann! Die chaotische Serie von Ereignissen, auch bekannt als mein Leben, hatten mich gelehrt, dass das Irgendwann, das Simon zum Abholen wählen würde, bestimmt dann sein würde, wenn ich nach zwei Flaschen Rotwein schlafend in einer Pizza lag. Und das wollte ich nicht. Ich wollte mich nett anziehen und Make-up auflegen und den Trolley persönlich bei Ruth vorbeibringen. (Idealerweise fände ich unterwegs noch Hundescheiße, um ihn durchzurollen.)
Ich packte die Klamotten von meiner L.-A.-Reise aus. Dann öffnete ich die tausend Reißverschlüsse der Seitentaschen, für den Fall, dass ich darin noch was vergessen hatte. Gut, dass ich das tat, denn in der ersten Tasche entdeckte ich eine verschmutzte Unterhose. In der nächsten waren die kleinen Flaschen Schaumbad und Shampoo, die ich aus dem Hotel hatte mitgehen lassen. Ich glaubte nicht, noch weitere Seitentaschen benutzt zu haben, überprüfte sie aber für alle Fälle. In einer davon schien tatsächlich noch was drin zu sein, also kippte ich den Inhalt auf den Teppich. Es fielen ein Packen Zettel und Quittungen und ein angebrochener Blister Tabletten
heraus. Eigentlich konnten sie mir nicht gehören, ich hatte sie noch nie gesehen. Kleine gelbe Pillen zogen sich schlangenförmig über die goldene Verpackung. Neben jeder einzelnen Tablette waren in schwarzer Schrift Wochentage aufgedruckt. Es war eine Packung empfängnisverhütender Pillen. Sie musste Ruth gehört haben. Ich legte sie weg und griff nach den Zetteln. Der erste war eine Quittung für ein Hotel in Paris. Simon und Ruth waren letztes Jahr zu Ruths Geburtstag in Paris gewesen. Es war ihre Lieblingsstadt.
»Nicht unbedingt eine sehr originelle Lieblingsstadt. Was ist deine zweitliebste? New York?«, brummelte ich.
Ich ging die anderen Quittungen durch. Dazwischen befand sich ein gefaltetes DIN-A4-Blatt. Ich entfaltete es. Ein Foto fiel heraus. Fast hätte es mich gewürgt. Es war von Ruth. Jedenfalls ging ich davon aus, dass es Ruth war. Ihr Gesicht war nicht darauf zu sehen. Es war ein nackter Körper. Nippel und Schamhaar. Zugegeben, nicht viel Schamhaar. Sie hatte sich für George Michael entschieden. Ich drehte das Foto rasch um und griff nach dem großen Blatt Papier. Darauf stand etwas Handgeschriebenes. Es war nicht Simons Handschrift. Es konnte nur die von Ruth sein. Ich las:
Befolge diese Instruktionen sorgfältig
Komm herein
Zieh dich ganz aus
Schenk dir ein Glas Champagner ein
Leg dich aufs Bett
Auf dem Nachttisch liegt eine Augenbinde leg sie um
Warte…
Offenbar ein kleines Sexspielchen, das sie für ihn vorbereitet hatte. Hinten klebte ein Stück Tesafilm dran. Vermutlich hatte sie den Zettel an die Tür geklebt, damit er ihn fand. Ein Glück, dachte ich, dass ich das nicht gefunden habe, als ich in L. A. auf meinem Eifersuchtstrip war. Das hätte mir wirklich den Rest gegeben. Und obwohl ich jetzt auch nicht besser damit umgehen konnte, war mir doch klar, dass ich damit niemals mithalten konnte. Mit dem mir verliehenen bodenständigen Sturkopf war ich die Antithese zu Ruths exotischen Sexspielen. Vielleicht war es das, was er wollte. Großartigen Sex und ein Baby.
Ich überlegte, ob ich das Zeug in der Tasche lassen oder wegwerfen sollte. Mit der Pille konnte sie jetzt, da sie schwanger war, ohnehin nichts anfangen.
Ich würgte. Ruth war schwanger! Ruth nahm die Pille! Warum nahm Ruth die Pille, obwohl sie keine Kinder kriegen konnte? Und wenn sie die Pille nahm, wieso
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