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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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ihr den gleichen Handel zu schließen. Und das war wirklich ein Fehler. Oh, wahrscheinlich dachten Sie, Ihnen bliebe gar nichts anderes übrig, denn hätten Sie jemanden wie Li-Tsan von der Station weggebracht und zugleich die weitaus nutzlosere und instabilere Fish hierbehalten, hätten sogar Ihre dümmsten Mitarbeiter auf die Unstimmigkeit aufmerksam werden müssen. Und Li-Tsan willigte in den Handel ein, aber nur, weil sie - als eine Frau, die immer großen Wert auf ihre eigene Stärke gelegt hat - eine Zeit lang von Selbsthass geplagt wurde, nachdem sie sich als so schwach erwiesen hatte. Doch sie war nicht gebrochen, sie hatte nur bei einer bestimmten Sache versagt. Wenn sie sich Ihnen je gefügt hat, dann nur, weil sie gehofft hat, sie würde ihr Problem in den Griff bekommen und bald ins Habitat zurückkehren können.
    Aber als das nicht geschah, reagierte Li-Tsan, ein abgehärteter, durchsetzungsfähiger und qualifizierter Profi, naturgemäß ein bisschen anders auf das Exil als jemand wie Fish. Eine Person wie Li-Tsan musste sich irgendwann daran erinnern, wer sie ist, und anfangen, einen Groll gegen Sie zu pflegen. Sicher, eine Weile hat sie versucht, stillzuhalten, weil sie mit diesen Boni ein gutes Geschäft machte und nicht wollte, dass all die Zeitabschläge, die sie sich verdient hatte, wieder auf ihren Vertrag draufgerechnet würden. Aber früher oder später konnte sie nicht mehr standhalten. Irgendwann musste sie sich genauer ansehen, in welchem Zustand die Frau war, die ihr Exil teilte, eine Frau, in der sie zwangläufig eine klägliche Version ihrer selbst erkannte, eine Frau, die nur noch die bequeme leere Hülle war, die sie selbst auch zu werden drohte. Allmählich fing sie an zu kochen, und der Großteil ihres Zorns richtete sich gegen den Mann, in dem sie inzwischen nichts als einen verachtenswerten Zuhälter sah.
    Das ist das Lustige an der Sache, Mr. Gibb. Als Sie beide Ihren kleinen Schlagabtausch hatten, hat sie Ihnen das direkt ins Gesicht gesagt. Natürlich ist Lude im Grunde nicht das richtige Wort, schließlich haben Sie, soweit ich weiß, die Frauen nicht an irgendwelche anderen Leute verkauft. Vergewaltiger käme der Sache wohl näher, zumindest in Hinblick auf Fish, aber dem zum Trotz ist mir bewusst, dass diese Beschuldigung gewissermaßen noch weiter von der Wahrheit entfernt ist. Vielleicht sollten wir uns später ein paar Gedanken über die korrekte Terminologie machen. Ich bin überzeugt, in Merkantil existiert ein Wort, das den exakten Grad an Schäbigkeit vermittelt, der dem Ganzen anhaftet, und ich bin ebenso überzeugt, dass es sich um einen Straftatbestand handelt.
    Jedenfalls wurde es, je größer ihr Groll wurde, immer riskanter, Li-Tsan fortzuschaffen, denn sie war wütend genug, sich hinzustellen und irgendeiner verantwortlichen Person ihre Geschichte vorzutragen. Also haben Sie ihr weitere Boni angeboten, um sich ihr Schweigen zu erkaufen. Sie hat die Boni angenommen, wurde Ihnen gegenüber aber immer feindseliger. Also haben Sie das Einzige getan, was Sie tun konnten, um sich wenigstens noch für eine kurze Zeit zu schützen. Sie haben eine Barriere zwischen Li-Tsan und jeder Kommunikationsmöglichkeit mit Ihren Vorgesetzten in New London aufgebaut, und das haben Sie getan, indem Sie Robin Fish erklärt haben, dass von nun an sämtliche Korrespondenz über Sie laufen müsse, eine Vorkehrung, die Ihnen die Möglichkeit gab, alles zu zensieren, was Li-Tsan schrieb.
    Aber selbst dann mussten Sie inzwischen selbst das vage Gefühl haben, in der Falle zu sitzen. Denn nun hielten Sie bereits zwei Leute fest, für deren Aufenthalt auf der Station es keinen vernünftigen Grund gab und die Sie nicht freilassen konnten, ohne befürchten zu müssen, dass sie die Gelegenheit nutzen würden, um Sie bloßzustellen.
    Dann erlitt eine dritte Person einen Zusammenbruch, der etwas mit der Höhenlage zu tun hatte, und das dürfte Ihnen einen Seufzer der Erleichterung entlockt haben, denn dieses Mal war das Opfer ein Mann, der Ihnen aufgrund seines Geschlechts gewissermaßen ein Deckmäntelchen lieferte. Natürlich konnten Sie auch ihn nicht ausschiffen, denn es wäre noch verdächtiger gewesen, hätten Sie einen unfähigen Mann fortgebracht, die unfähigen Frauen aber hierbehalten. Andererseits konnten Sie ihn im Sinne der Gleichbehandlung der Geschlechter auf der Station festhalten und ihm mit einigen Zeitboni wie denen, die Sie Robin und Li-Tsan bereits gewährt hatten, das Maul

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