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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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einen einzigen finsteren Impuls, um ihn genau dorthin zu treiben. Diese Lösung zugunsten einer wenig verheißungsvollen Morgendämmerung auszuschlagen forderte weit mehr von ihm.
    Manch einer mag sagen, ich hätte unverantwortlich gehandelt, indem ich ihn allein ließ, als er mit den Konsequenzen seines Handelns konfrontiert war. Aber ich hatte ihm auch eine Unze Hoffnung gelassen, und ein Mann, der imstande war zu tun, was er getan hatte, bildete sich so viel auf sich ein, dass er unmöglich glauben konnte, diese Unze der Hoffnung würde ihn im Stich lassen. In den nächsten paar Stunden würde er über Auswege nachdenken, würde Strategien ersinnen, Ausreden, Verteidigungsmaßnahmen, Vereinbarungen, die er mit all den Leuten treffen konnte, die gegen ihn aussagen mochten. Er würde sich tausendmal einreden, er hätte alles im Griff, und er würde sich tausendundeinmal sagen, dass er das nicht hatte.
    Er würde in dieser langen Nacht beständig zwischen Hoffnung und Verzweiflung hin- und herwandeln, und das würde nicht leicht werden. Und er würde diese Nacht ganz allein in Gesellschaft von Schuldzuweisungen, Schuldabwehr und Rationalisierungsversuchen verbringen müssen.
    Ich glaubte nicht, dass er springen würde.
    Aber er hatte es verdient, diesem endgültigen Schritt verdammt nahe zu kommen.
    Eine Stimme rief mich aus der Dunkelheit. »Bereit, Andrea?«
    »Wann immer du es bist«, sagte ich.
    Eine Teleskopleiter tauchte aus der Finsternis unter mir auf, bohrte sich durch den leeren Raum an dem Ort, an dem mein Zelt gewesen war, und bot mir einen Fluchtweg aus den verlassenen Netzen von Hängemattenstadt. Ich griff mit beiden Händen nach einer Sprosse, pflanzte meine Füße auf die Trittstufen und glitt auf die Ladefläche des Gleiters.
    In einem Punkt hatte Gibb recht: Ich kam immer besser mit diesen Manövern zurecht. Nicht, dass ich plötzlich Spaß daran gehabt hätte. Obwohl ich mit sicheren Bewegungen über die Reling klettern und mich den Porrinyards im vorderen Teil des Gleiters anschließen konnte, zitterten meine Hände.
    »Er hat es nicht allzu gut aufgenommen«, sagten sie.
    »Nein, das hat er nicht.«
    Ich hatte sie gebeten, die Befragung zu überwachen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Gibb gewalttätig reagieren oder mein Freund, der Zwischenrufer, einen weiteren Anschlag auf mein Leben verüben würde, wären sie nahe genug gewesen, dazwischenzugehen. Ich kann jedoch nicht behaupten, dass ich mich durch ihre Anwesenheit und die Tatsache, dass sie mich im Auge behielten, rundum sicherer gefühlt hätte. Ich hatte kein Problem mit der Vorstellung, dass sie imstande wären, mich vor Gibb zu schützen. In Hinblick auf den Zwischenrufer fühlte ich mich weitaus weniger wohl. Aber wie dem auch sei, es war eine Erleichterung, wieder in ihrer Nähe zu sein. Allmählich schien ich sie ernsthaft zu brauchen.
    »Wohin?«, fragten sie.
    »Kreisen wir ein bisschen. In einer Minute weiß ich, wohin wir fliegen.«
    Ich kann nicht sagen, wie lange wir in der Finsternis unterwegs waren. Es mochten nicht mehr als ein paar Minuten gewesen sein. Aber mein Geist betrachtete ein und dasselbe Terrain aus so vielen verschiedenen Blickwinkeln, dass es mich nicht verwundert hätte, hätte ich die Augen plötzlich in einer ganz neuen Welt aufgeschlagen, ein Jahrtausend entfernt ... einer Welt, in der all meine Probleme längst in das Reich der Geschichte eingetreten wären.
    Inzwischen dachte ich über Lastogne nach.
    Ich war mir ziemlich sicher, dass ich wusste, was er war. Das, was ich seit einer Weile vermutete. Ich hatte mit Leuten wie ihm schon viele Male zu tun gehabt. Sie waren eine Ausgeburt der wahren Natur des Tiers Mensch. Und Gibbs missgünstige Aussage hatte meine wohlbegründete Vermutung nur bestätigt. Aber welche Art von Spion preist ihren Platz in der Ordnung der Dinge? Ein Saboteur, der einer Faktion innerhalb der Konföderation angehörte, hätte sich mit einer undurchdringlichen falschen Identität ausgerüstet oder riskiert, dass man ihn längst nach New London beordert hätte. War er eine Art politischer Funktionär? Oder war die Sabotage ein Teil seiner Arbeit?
    Gibb hatte mir das Wenige überlassen, was er hatte. New London hat mir immer wieder erzählt, er sei autorisiert, hier zu sein, aber sie weigern sich, mir irgendwelche Details zu nennen. Das Einzige, was ich mit Sicherheit weiß, ist, dass er gefährlich ist.
    Da war noch etwas, worüber ich mir den Kopf zerbrach. Eine der wenigen

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