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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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dass sie Regeln missachten, wenn niemand anderes in der Nähe ist.«
    Dann übernahm Skye allein: »Das ist der Grund, warum du Lastogne als Führer abgelehnt hast.«
    Und dann beide: »Hier geht es um mehr als um Freundschaft, nicht wahr? Du hast uns auf die Probe gestellt. Du wolltest herausfinden, wie weit wir gehen würden, um dir zu geben, was du brauchst.«
    Es war sehr, sehr lange her, Jahre möglicherweise, seit ich mir das letzte Mal Sorgen darum gemacht hatte, ich könnte die Gefühle anderer Menschen verletzen. Nie hätte ich gedacht, dass ich imstande wäre, die Porrinyards zu verletzen, zumal diese doch ein gemeinsames Fundament zu haben schienen, das weit stärker war als alles, was ich je hatte. Aber ich wollte verdammt sein, wenn die beiden sich nicht plötzlich bemerkenswert spröde zeigten. Ich wollte verdammt sein, wenn diese beiden nicht ausgesprochen gut darin waren, Schuldgefühle auszulösen. Ich brauchte mehrere Sekunden, um mir eine zufriedenstellende Antwort einfallen zu lassen. »Als mein Leben zum ersten Mal in deinen Händen gelegen hat, hat mich im Vorfeld niemand nach meiner Meinung gefragt. Beim zweiten und dritten Mal habe ich entschieden, dich mitzunehmen. Das hatte nichts damit zu tun, dass ich dich auf die Probe stellen oder missbrauchen wollte. Es hatte damit zu tun, dass ich mich auf dich verlassen habe.«
    Sie verdrehten die Augen in Richtung Überwuchs. »Aber es ging nur um das hier.«
    »Es ging schon seit einer Weile um viel mehr als das.«
    Sie bewegten sich zu entgegengesetzten Seiten des Gleiters und nahmen eine Haltung ein, die bis zu der leichten Drehung der rechten Beine identisch war. Es sah beinahe aus, als führten sie eine gut choreografierte Parodie voneinander aus. Als sie zu der Dunkelheit sprachen, konnte ich keinen individuellen Ton ausmachen, den ich individuellen Lippen hätte zuordnen können. »Als die Individuen Oscin und Skye erstmals ihre Absicht kundtaten, sich zu verbinden, waren ihre jeweiligen Freunde und Angehörigen entsetzt. Sie fragten, ob uns das, was wir aufgäben, keine Angst mache. Die Individuen Oscin und Skye sagten: Nein, wir geben nichts auf. Beide Familien stellten die gleiche Frage: Wie konnten wir sicher sein?«
    Ich spürte ein Brennen in meiner Brust. »Was habt ihr ihnen gesagt?«
    Sie kicherten harmonisch. »Nichts Genaues, Andrea. Die Individuen Oscin und Skye waren in keiner Weise sicher. Sie hatten es noch nicht erlebt, verstehst du? Für sie war das nur ein intellektueller Gewinn. Sie wussten nicht, wie viele andere Reize auf mich einströmen würden. Sie wussten nicht, dass mein gemeinsames Selbst beinahe in jeder Hinsicht sicher sein würde.«
    Sie wandten sich von der Dunkelheit ab und setzten sich mir mit leuchtenden Augen gegenüber.
    Und sagten: »Das ist es, was du in mein Leben zurückgebracht hast, Andrea: dieses neuerliche Gefühl der Ungewissheit.«
    Die Vorbereitungen, mich den Brachiatoren als einen Neugeist vorzustellen, der das Leben zu kosten wünschte, gingen schnell und einfach vonstatten.
    Mich zu sichern war dagegen ein Albtraum. Meine Glieder rebellierten schon gegen die bloße Vorstellung, mein Leben ein paar Wurzeln und Ranken und Sicherheitsleinen anzuvertrauen. Mehr als einmal erstarrten sie, statt sich den Dingen zu fügen. Mehr als einmal versicherten mir die Porrinyards, es wäre keine Schande, würde ich das Vorhaben einfach aufgeben. Ich dachte daran, auf sie zu hören, als sie darauf bestanden, dass ich verspräche, sie beim ersten Anzeichen für einen möglichen Notfall zu alarmieren.
    Aber ich sagte nichts, und bald fand ich mich mit allen vieren am Überwuchs hängend wieder. Die Wurzeln und Ranken waren nachgiebig genug, mir eine gewisse Bewegungsfreiheit einzuräumen. Ich hatte meine Arme und Beine so platziert, dass sie es möglichst bequem hatten, hatte meine Unterschenkel um einen niedrig hängenden Pflanzenkringel geschlungen und Äste gefunden, die dick genug waren, sie gut umfassen zu können. Obwohl die Porrinyards mir gesagt hatten, dass die meisten von Gibbs Dienstverpflichteten dies mit Blick auf den Überwuchs taten, weil das die Blickrichtung der Brachiatoren selbst war, bestand ich darauf, eine Haltung einzunehmen, in der ich dem Dach dieser Welt den Rücken zukehren und die Wolken anstarren konnte.
    Ich fühlte mich keineswegs sicherer, als die Porrinyards, die gemeinsam auf der Frachtpritsche standen, mir eine Sicherheitsleine um die Taille schlangen oder als sie ein anderes,

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