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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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gerüstet waren. Ich bin absolut bereit einzuräumen, dass Sie und diese Leute hier gut sind. Sie waren nur die falschen Leute für diese spezielle Aufgabe. Das hier ist alles in allem eine der schlimmsten personellen Fehlentscheidungen, die mir je begegnet ist.«
    In einer Geste automatischer Abwehr schüttelte er den Kopf. »Ich kann kaum erwarten zu hören, wie Sie das belegen wollen.«
    »Es war ein ganz einfacher Fehler, Sir. Wenn man einen Außenposten in einer Umgebung besetzen will, deren Bewohner sich am Himmel festklammern, ist die einzig sinnvolle Lösung, Leute auszuwählen, die eine ähnliche Affinität für Höhen aufweisen: Bergsteiger, Akrobaten, Orbitalarbeiter und andere Leute, die es gewohnt sind, Tag für Tag in großer Höhe zu arbeiten. Solche Leute können unter Bedingungen, wie sie hier herrschen, gut und erfolgreich agieren. Aber es sind zugleich genau die Leute, die am wenigsten geeignet sind zu begreifen, was die Brachiatoren bewegt.«
    »Ich denke nicht ...«
    Ich schnitt ihm das Wort ab. »Solche Leute - Leute wie Sie - haben eine dreidimensionale Denkart. Sie wissen um die Kluft zwischen ihnen und der Oberfläche weit unter ihnen, sie sind imstande, die Entfernung als etwas einzustufen, das zurücklegbar ist, und sei es durch einen Sturz. Die unausgesprochene Annahme all dieser Leute war stets, dass die Brachiatoren diese Vorstellung teilen ... was dumm ist, weil Sie sich nur ansehen müssen, wie sie gebaut sind, um zu erkennen, dass sie dazu geschaffen sind, ihr ganzes Leben damit zuzubringen, die Oberfläche oberhalb ihrer Gesichter anzustarren. Das ist nicht die Perspektive einer Spezies, die dazu geschaffen ist, das Panorama zu begreifen. Das ist die Perspektive einer Spezies mit beschränkten Vorstellungen von oben und unten, eine Perspektive, die Ihr Außenposten mit all seinen Bergsteigern und professionellen Höhenspezialisten schlicht nicht zu erfassen imstande war. Ich dagegen hatte immer Angst vor Höhe, und mein Bauchgefühl sagte mir, was die Brachiatoren von Geburt an wissen: dass der Überwuchs Leben ist und alles unter ihm Tod.«
    Lastognes Unterkiefer klappte sichtlich herunter. »Ich will verdammt sein.«
    »Stellen Sie sich vor, ein Brachiator fällt. Stellen Sie sich vor, wie seine Überlebensaussichten aussehen, wenn er, sagen wir, gerade einen Meter tief fällt. Ich denke, Sie werden mir zustimmen, dass diese Distanz nicht einmal reicht, um eine angemessene Geschwindigkeit zu erreichen. Vielleicht ist er nicht einmal aus dem peripheren Blickfeld verschwunden. Wir wissen bereits, dass die KIquellen ihn nicht retten werden. Hat er irgendeine Chance, diese Situation zu überleben? Irgendeine?«
    Was nun folgte, war ein wohlbekanntes Phänomen, das gern auftritt, wenn einer Gruppe eine einfache Frage gestellt wird, deren Antwort auf der Hand liegt, die jedoch nicht ausgesprochen wird, weil jeder darauf wartet, dass ein anderer die rhetorische Falle auslösen möge.
    Die Porrinyards konnten als Erste genug Selbstvertrauen fassen, um das Offensichtliche zu formulieren: »Nein, Counselor, die hat er nicht.«
    »Exakt«, sagte ich. »In diesem Moment atmet er noch, fühlt er noch, denkt er noch, und doch ist er nach der Logik und dem Verständnis seiner Spezies so tot wie der Brachiator, der vor einer Woche abgestürzt ist, oder der, der letztes Jahr runtergefallen ist.«
    Lastogne rieb sich die Augen. »Ja«, knurrte er.
    »Denken Sie darüber nach«, sagte ich. »Aus ihrer Perspektive steigen wir von einem Ort auf, an dem nichts überleben kann. Wir sind dauerhaft anwesend, wir sind freundlich, wir sprechen mit ihnen, wir sind unverkennbar stoffliche Wesen, aber wir sind auch Besucher aus dem Land der Toten. Nach jedem vernünftigen Maßstab können wir nur Geister sein. Es ist kein Wunder, dass sie sich weigern, mit irgendjemandem zu sprechen, der keine Nacht im Überwuchs verbracht hat. Das zu tun verbindet uns in gewisser Weise mit dem Leben. Was nicht ganz das Gleiche ist wie Leben in unserem Sinne, denn wir überschreiten auch danach immer wieder die Grenzen der Existenz ...«
    Nun schien Lastogne absolut angewidert von sich selbst zu sein. »Wie halbe Geister.«
    »Ganz genau. Eine vollkommen natürliche Einordnung für jemanden, der mal am Leben und mal tot ist: ein Konzept, das sie zwar sonderbar finden, das aber offenbar noch im Rahmen dessen ist, was sie akzeptieren können. Zu ihrem eigenen Unglück hat Cynthia Warmuth die Dinge nicht so sehen können. Sie

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