Halbgeist: Roman
Zwecks.
»Zweite Frage. Peyrin Lastogne. Der Mann hat keine Dip-Corps-Akte, keinen Konföderationsdatensatz. Er ist nicht einmal ein offizielles Mitglied Ihrer Delegation. Aber hinsichtlich seiner Befugnisse scheint er hier gleich an zweiter Stelle hinter Ihnen zu stehen. Wer, zum Teufel, ist er?«
Gibb zeigte mir die Zähne, ich glaube allerdings nicht, dass ich das als Lächeln hätte einstufen können. »Geheimsache.«
»Ich habe eine Freigabe für derartige Informationen.«
»Es tut mir leid, Counselor, aber ich fürchte, Sie irren.«
Das war empörend. »Bei Ermittlungen dieser Art hat das Büro der Oberstaatsanwaltschaft grundsätzlich vollständigen Zugriff auf ...«
»... bei Weitem nicht so viel, wie der Oberstaatsanwalt sich einbildet«, sagte Gibb. Und nun lächelte er, ein Lächeln von der Art, wie man es auf den Gesichtern der Zollmitarbeiter großer Transportgesellschaften zu sehen bekommt, wenn sie versuchen, ihre Schadenfreude zu verbergen, nachdem die Habe irgendeines lästigen Passagiers versehentlich in den kältesten Regionen des tiefen Raums verloren gegangen ist. »Es tut mir leid, Counselor, aber das kommt von ganz oben. Mr. Lastogne ist tabu.«
Bei einem meiner ersten Einsätze vor ungefähr zehn Jahren hatte ich eine Einsatztruppe unterstützt, die der Anschuldigung des Hochverrats innerhalb der Exekutive der Konföderation nachgehen sollte. Wir hatten täglich Kabinettsmitglieder befragt. Niemand, nicht einmal der Präsident persönlich, war damals für uns tabu gewesen, was, wie sich herausgestellt hatte, auch gut war, da wir bald einen Hinweis auf den Verbleib des flüchtigen Terroristen Magreison aus dem Hause der ersten Familie der Konföderation erhielten (er ist allerdings immer noch auf freiem Fuß). Meine derzeitigen Befugnisse reichten mindestens so weit wie die, die seinerzeit der ganzen Einsatztruppe zur Verfügung gestanden hatten. Aber manchmal leisteten Bürokraten mittlerer Ebene wie Gibb mehr Widerstand als die Leute an der Spitze, die wussten, wo ihre Grenzen lagen. »Also schön. Ohne auf Einzelheiten einzugehen - sind Sie im Besitz von Informationen über seinen Werdegang?«
Da war es wieder, das rechtfertigende Lächeln. »Ich weiß nur das, was ich wissen darf.«
»Sie können mir nicht einmal sagen, ob Sie informiert wurden?«
»Ich sage nur, dass ich längst nicht alles weiß und dass es mir nicht gestattet ist, diese Art von Fragen zu beantworten.«
Zum Teufel damit. »Fish hat mir erzählt, dass Sie die Kontrolle über sämtliche Kommunikationsverbindungen zum und vom Habitat übernommen haben.«
»Ja, aber das ist nur eine Sicherheitsmaßnahme. Unsere Position hier ist ...«
Der Rest des Satzes ging unter, da ich ihn übertönte. »Ich muss nichts über Ihre hiesige Position wissen, um die folgende Aussage zu treffen, Sir. Ich beabsichtige, heute Nacht einen Bericht nach New London zu schicken. Ich werde ihn über Sie verschicken, weil Sie es offenbar so wünschen, aber ich werde ihn kodieren. Jeder Versuch Ihrerseits, meine Nachricht vor Absendung zu lesen oder den Inhalt zu zensieren, wird erkannt und vom Büro der Staatsanwaltschaft als Behinderung der Justiz eingestuft werden. Muss ich Ihnen erklären, wie ernst eine solche Anschuldigung wäre?«
Gibbs Gesicht war ein Musterbeispiel unterdrückten Zorns. »Einen solchen Auftritt hätten Sie sich sparen können, Counselor. Ich war Ihnen gegenüber nichts als kooperativ.«
»Sie waren nichts, Punkt«, sagte ich.
Was überzogen war. Ich bedauerte meine Worte noch in dem Moment, in dem sie über meine Lippen kamen.
Aber wenn man sich schon Feinde macht, dann kann man ebenso gut gleich dafür sorgen, dass sie auch Feinde bleiben.
Gibb dazu zu bringen, mich zurück zu meiner Hängematte zu begleiten, war vermutlich Salz in der Wunde, aber ich hatte keine Wahl. Der Weg war schon bei Tageslicht schwindelerregend, bei Nacht hätte er mich umbringen können.
Wäre ich vor Furcht tot umgefallen oder einfach von einer Seilbrücke gestürzt, wäre das jedem Ermittler, der mich hätte ersetzen müssen, wohl wie ein grausamer Scherz vorgekommen. Zweifellos würde man annehmen, ich wäre das letzte Opfer einer immer größer werdenden mörderischen Verschwörung geworden, und würde sämtliche vernünftigen Erklärungen für den Tod von Warmuth und Santiago verwerfen, die nicht auch den meinen erklären konnten.
Und dabei stand nicht einmal fest, ob diese beiden Todesfälle zusammenhingen. War das nicht der
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