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Halbmast

Halbmast

Titel: Halbmast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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hatte körperliche Fitness nichts mit der Farbe der Zähne zu tun, doch die Verbissenheit, mit der er jeden Morgen zwölf Kilometer joggte, die passte dazu.
    «Ich habe meine liebe alte Bekannte schon nach einer Extraflasche Schampus gefragt. Wie gut, wenn man die Stewardess persönlich kennt», flüsterte er mit einer ungewohnten Vertrautheit, die Carolin ein wenig zurückweichen ließ. «Wenn du Lust hast, treffen wir uns um Mitternacht ganz vorn am Bug und machen sie leer.»
    Das passte nicht zu Leif Minnesang. Carolin beugte sich nach vorn. «Wie bitte?»
    «Kein Witz! Du machst die Außenfotos, ich sortiere meine Notizen, und dann treffen wir uns um zwölf, okay?»
    «Aha, hm, ja.»
    «Wir haben doch nicht wirklich viel Zeit hier, in vierundzwanzig Stunden sind wir schon in Eemshaven und gehen von Bord. Und während der Fahrt haben wir wahrscheinlich kaum Zeit für so etwas. Also bleibt uns nur heute Abend.»
    Carolin dachte an Leonardo di Caprio und Kate Winslet und die berühmte Szene mit dem «König der Welt». Sie vertauschte für einen kurzen Augenblick die Gesichter und sah sich und Leif Minnesang mit ausgebreiteten Armen an der Spitze der
Poseidonna
stehen, er mit seiner typisch gehetzten Miene und dem Mini-Disc-Recorder vor den Lippen, sie mit der Nikon im Anschlag in Cordhose und flatterndem Herrenhemd. Sie musste lachen. «Ich werde uns beide aber fotografieren müssen, sonst glaubt mir das keiner.»
    «Was glaubt dir keiner?»
    «Dass du doch ein ganz menschlicher Typ sein kannst, wenn du willst.»
    «Was soll das denn jetzt?»
    «Du bist doch wie ein Apparat! Sobald du in die Redaktion kommst, laufen die Sekunden schneller. Deine Stimme klingt wie das Tastenklappern eines PCs. Wenn man sich mit dir unterhält, weiß man immer, dass du ein Diktiergerät dabei laufen lässt.»
    «Das ist nicht wahr!»
    «Sogar deine Exliebe zeichnet ein derartiges Bild von dir.»
    «Meine Exliebe?»
    «Ebba John.» Carolin musste doch ein wenig zu viel Champagner nachgeschenkt bekommen haben, sonst würde sie nie so reden, wie sie es jetzt tat. Normalerweise würde sie Leif nicht derart auf die Pelle rücken.
    «Ebba John? Sie sagt, ich bin eine Maschine?»
    «Yes!»
    Leif nickte leicht mit dem Kopf hin und her und zog die Mundwinkel nach unten. «Das muss sie gerade sagen», sagte er schließlich. «Trotzdem werde ich eben mal verschwinden. Auch Maschinen müssen mal aufs Örtchen!»
    Er war irritierend komisch. Gut, sie würde mit ihm später Champagner trinken. Dann war dies jetzt für sie der richtige Moment, sich zu verabschieden. Sie schüttelte brav reihum die Hände, klaute noch einen Zweig Trauben vom Buffet und ging hinaus.
    Die Treppe nach unten fand sie ohne Probleme.
    Sie zählte die Stufen im Geist. Deck 7.   Und die Brücke war Deck 13.   Eigentlich konnte sie sich nicht verirren. Trotzdem schlug ihr Herz schneller, als es wegen der Treppenhinablauferei hätte schlagen müssen. Ihre Hand streichelte beim Hinabgehen über das Geländer. Die Handwerker fielen ihr ein. Sie hatten doch heute auf Deck 6 den Teppich verlegt. Daran würde sie das richtige Stockwerk erkennen.
    Sie zählte weiter die Treppenabsätze. Die schrecklichen Schuhe. Carolins Füße rebellierten gegen die ungewohnte Enge, also zog sie sich die Pumps aus. Egal, hier war ja niemand. Lautlos stieg sie weiter die Stufen hinab.
    Alles sah noch so unfertig aus. Eigentlich gab es noch genug Arbeit an Bord, es war erst halb elf, warum arbeitete keinMensch mehr? Vielleicht mussten schon alle sicherheitshalber von Bord gehen. Morgen früh um sechs ging die Fahrt los. Wahrscheinlich wollte man nicht das Risiko eingehen, dass sich in der Nacht noch unbefugte Personen an Bord schlichen. Als sie aufs Schiff gegangen war, hatte Carolin einen Ausweis mit Foto um den Hals gehängt bekommen. «Falls Sie mal kontrolliert werden», hatte die Dame, die eine Uniform und eine schräge rote Baskenmütze getragen hatte, beim Aushändigen gesagt. Carolin hatte sich in diesem Moment nichts dabei gedacht. Es kam häufig vor, dass man in ihrem Job Besucherausweise vorzeigen musste. Vorhin, es musste auf Deck 11 gewesen sein, hatte sie durch ein Fenster draußen an der Reling zwei Uniformierte gesehen.
    Doch nun, hier in der Dunkelheit und der einzigartigen Atmosphäre kurz vor dem Aufbruch, wurde ihr deutlich, dass das doch etwas merkwürdig war. Es gab Kontrollen, es gab Sicherheitsbeauftragte, es gab abgeschirmte Empfänge auf dem Kapitänsdeck. Im Vorfeld

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