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Halbmast

Halbmast

Titel: Halbmast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Dann lief er mit der Hand als Führung an der Wand entlang indie Richtung, wo man zur Treppe gelangte. Es ging relativ gut. Seinen Orientierungssinn hatte er also nicht verloren, er schien sich sogar ein wenig gefangen zu haben.
    «Vielleicht hast du Recht. Es ist nicht gerade   … professionell, wie ich mich heute aufführe. Aber wenn du wüsstest, was ich weiß!»
    «Schieß schon los. Vielleicht hast du es sonst morgen vergessen. Du wärst nicht der Erste, der nach ein paar Gläsern zuviel am nächsten Tag einen Blackout hat. Und dann werde ich nie erfahren, was dich heute Abend   …»
    Leif blieb stehen, mit einem Ruck, ohne ein Schwanken. «Das ist alles Kulisse hier!»
    Seine Stimme war fast wieder klar, nur etwas verwaschen und zu auffällig akzentuiert. «So riesig und so beeindruckend das Ganze. Es gibt Champagner zu trinken, wir schwelgen in Marmor und Goldmessing. Aber es ist nicht wirklich. Es ist eine Kulisse. Das sage ich dir! Und darüber werde ich auch schreiben!»
    «Was meinst du denn jetzt damit?»
    «Das ist hier alles ein ganz mieses Geschäft. Weißt du noch, als der große Boss vorhin zu uns gekommen ist und diese Sache gesagt hat?»
    «Mit den Menschen hier, die alle so stolz auf dieses Schiff sind?»
    «Die Leute würden sich schämen, wenn die alle wüssten   …» Er ging wieder weiter, machte eine ausholende Geste, mit der er das Schiff, die Umgebung, die ganze Welt einzufangen schien: «…   wenn die alle wüssten, wie andere verarscht werden!»
    Das konnte nichts Ernstes sein. Unmöglich konnte Leif von etwas Relevantem sprechen. Er war einfach betrunken. Unter Alkoholeinfluss schien eben auch der perfekteste Herr Tadellos zu einer Witzfigur zu verkommen. Es machte ihnjedoch nicht unsympathisch, im Gegenteil. Carolin fingerte möglichst unauffällig nach der Nikon.
    «Die lügen sich nur alle was zusammen.»
    Carolin hatte ihn im Sucher. Er hatte wieder diesen verbissenen Blick, vielleicht war er doch nicht so betrunken, wie sie zuerst geglaubt hatte. Seine Haare waren feucht von der Nachtluft, er hielt die Hände zu Fäusten geballt. Irgendetwas musste ihn in Rage versetzen.
    «Auch wenn die von uns verlangen, dass wir eine Schöne-heile-Welt-Story vom Traumschiff abliefern, wir werden das nicht tun! Hast du mich verstanden? Wir werden keinen Scheiß zusammenschreiben, sondern die Wahrheit zu Papier bringen. Ich war im Krieg, einige Jahre, Afghanistan. Ich habe verdammt viel gesehen. Doch das war anders, das war Kampf. Und hier? Gehen die auch über Leichen, nur dass es keiner mitkriegt. Ich werde davon schreiben. Und dann werden hier im Nordwesten alle Kopf stehen.» Er drehte sich zu ihr und schaute sie direkt an. Leif schien nicht zu bemerken, dass sie die Kamera im Anschlag hatte. Vielleicht nahm er sie ohnehin nur so wahr. Als die Frau mit dem Objektiv vorm Gesicht.
    «Erinnere mich morgen daran: Wir haben um halb neun einen wichtigen Termin. Wir werden ziemlich viel Ärger bekommen. Aber Ärger ist gut, oder nicht?» Kein Zweifel, er war doch total hinüber, seine Augen waren glasig wie Murmeln. «Ärger ist gut fürs Geschäft. Und das wollen wir doch beide, oder nicht?»
    «Ärger kriegen?»
    «Nein, gut im Geschäft sein. Du kannst dich nicht ewig auf deinem einen Foto ausruhen. Und diese Arschlöcher hier bieten dir genug, um dich wieder ins Gespräch zu bringen.»
    In diesem Moment drückte sie ab. Das Klicken, sie liebtedas Geräusch, dieses trockene, schneidende Klicken ihrer Nikon, welches klar machte, dass sie mal wieder einen Moment eingefangen hatte.
     
    Der Morgen begann mitten in der Nacht, um fünf piepte die Weckfunktion ihrer Armbanduhr. Carolin hatte gestern die dicken Vorhänge zugezogen, und nun war es in der Kabine so dunkel, dass selbst das Apricot noch zu schlafen schien.
    Carolin fühlte den schweren Kopf, sie tastete mit den Händen über das Laken, bis sie den Lichtschalter der Nachttischlampe fand. Es gab mit Sicherheit bessere Morgen.
    Sie hatte schlecht geträumt. Obwohl, gestern Nacht hatte eine steinerne Müdigkeit sie übermannt, sie hatte nicht lang wach gelegen. Doch der Schlaf war unruhig und in keiner Weise erholsam gewesen. Sie fühlte sich wie betäubt und gleichzeitig wach gehalten. Obwohl sie sonst keine Probleme mit fremden Betten hatte. In ihrem Job hatte sie schon an wesentlich unbequemeren Orten tief und fest geschlafen. Vielleicht war ihr das letzte Glas Champagner mit Leif nicht so gut bekommen. Ihr Kopf war wie

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