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Halbmast

Halbmast

Titel: Halbmast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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zeigen. Meine Lieblingsstelle.Die Schmidt-Katter-Werft hat mir meinen Traum erfüllt: Mitten im Raum, der so hoch ist wie zehn Decks, schießt eine Wasserfontäne fast bis zur Glaskuppel. Beleuchtet in allen Farben des Regenbogens. Und das Wasser ist leicht parfümiert, überall duftet es nach frischer Meeresluft. Es ist   …» Er seufzte. Irgendwie war er doch liebenswert. Er schwärmte für sein Schiff wie ein verliebter Kerl, was ihn sympathisch machte, trotz der Zigarren. «Es ist so wonderful, so schön. Als ich es das erste Mal gesehen habe, war ich sehr gerührt. Waren Sie schon dort?»
    «Nein, wir benutzen die Zwischentreppe, um in die Kabinen zu gelangen. Gestern ergab sich noch nicht die Gelegenheit zum Rundgang   …» Hätte sie nur einmal aufgepasst, wohin die Worte sie wieder entführten. Es war klar, was jetzt kommen musste.
    «Ich werde Sie persönlich durch die
Poseidonna
führen!»
    «Aber ich wollte erst zum Heck. Ich wollte den Blick aufnehmen, wenn das Schiff auf den Fluss gelangt.»
    «Gut, das ist gut! Ich komme mit! Und später dann das Atrium. Okay?»
    «Oh, that’s fantastic!»

Pieter
    Das Grummeln fühlte sich wie Magenknurren an. Jetzt war es so weit.
    Pieter war übel. Nicht vor Angst, weil er noch immer in diesem Rettungsboot saß und sich nicht sicher war, ob dieser Typ, der eben gegen den Bootsrumpf geklopft hatte, noch da war. Ihm war übel vor Zorn.
    Sie hatten mit allen Mitteln versucht, diesen Tag zu verhindern. Doch es war ihnen nicht gelungen. Die
Poseidonna
setzte sich in Bewegung. Sie steuerte in Richtung Fluss. Und so weit hätte es nicht kommen dürfen. Pieter wusste, dass viele Menschen aus dieser Gegend anderer Meinung waren. Er konnte nicht verstehen, warum sie sich alle so ignorant benahmen. Es war doch offensichtlich. Ein so gewaltiges Schiff in einem so engen Hafen, auf einem so kleinen Fluss, jeder musste erkennen, dass es verkehrt war. Und doch war es Pieter und seinen Leuten nicht gelungen, den Menschen die Augen zu öffnen. Die hatten hier nur die andere Sache im Blick: immer weniger Arbeit, immer weniger Geld, immer mehr Geschäfte, die ihre Türen schließen mussten. Und diese Angst um die Jobs und das eigene Wohlergehen machte sie taub für das, was Pieter und seine Leute ihnen sagen wollten. Selbst die regionale Presse interessierte sich nicht mehr dafür.
    Dies war nun die allerletzte Chance, wahrgenommen zu werden.
    Zum Glück hatte Pieters Tante einen wichtigen Posten bei Schmidt-Katter und ihm nach langem Drängen den Job als Tischler beim Innenausstatter verschafft. Er hatte ihr versprechen müssen, sich nicht danebenzubenehmen. So drückte sie es aus: nicht danebenbenehmen. Er würde dieses Versprechen nicht halten.
    Trotz der umfangreichen Sicherungsmaßnahmen war es nicht allzu schwer gewesen, nach den letzten Tischlerarbeiten, die seine Firma im Casino bis gestern ausgeführt hatte, auf dem Schiff zu bleiben. Als seine Kollegen von Bord gingen, war er mit dabei gewesen. Sie hatten alle ihre Namen abhaken lassen müssen bei der Frau, die Buch darüber führte, wer sich an Bord befand und wer nicht. Er hatte sich aus der Liste austragen lassen. Für das Protokoll hatte Pieteralso wie alle anderen gestern um 16.30   Uhr die
Poseidonna
verlassen.
    Er wusste, dass sie am Abend noch die Lieferung der Barhocker mit dem Radlader auf das Schiff bringen würden. Die ganzen letzten Tage hatten sie auf das zeitige Eintreffen des Mobiliars gewartet. Auf den letzten Drücker waren dann die hohen, stabilen Pakete angekommen. Das Entpacken und Montieren sollte die Ausstattungsfirma in Eemshaven erledigen, Hauptsache, die schweren Echtholzhocker mussten nicht mit einem extra Lkw nach Holland transportiert werden. Dabei ging es nicht um das Geld, sondern, wie alles hier, um die Zeit. «Just in time», war die Devise. Alles im richtigen Augenblick am richtigen Ort. Im Fall der Barhocker wäre es beinahe schief gegangen, doch für Pieter kam diese Verzögerung mehr als gelegen. Er hatte auf genau solch eine Möglichkeit gewartet. Unauffällig war er der Gruppe entwichen und hatte sich ins Lager geschlichen. Da kannte er sich aus, schließlich hatte er als Tischler mehrmals am Tag dort die Bodenleisten, Schrankeinbauten und Zierbretter kontrollieren müssen. Dem Lageristen war nicht aufgefallen, dass Pieter da war, erst recht nicht, dass er die feste Pappe an der einen Seite mit einem Messer einschnitt und sich in einen der Kartons schob. Pieter hatte sich unter den

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