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Halbmast

Halbmast

Titel: Halbmast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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wollte. Auch gestern Abend auf dem Champagnerempfang hatte sie ständig Blicke in Carolins und Leifs Ecke geschickt, die nach einer engen Freundschaft, nach einer verschworenen Intimität ausgesehen hatten. «Hey, wir drei hier zusammen an Bord, das ist ein Ding», so hatten die Blicke gewirkt.
    «Ebba John hier, hallo Herr Bernstein. Eine dringende Bitte: Kann einer Ihrer Männer mal bei der Kabine 247 auf Deck 7 anklopfen? Wir vermissen einen Journalisten, der eigentlich schon längst hätte hier sein sollen. Vielleicht hat er verschlafen. Ja? Herzlichen Dank, melden Sie sich bitte anschließend bei mir? Nochmals danke!»
    Sie zwinkerte Carolin zu. «Nun wird der Gute von zwei wirklich harten Kerlen aus der Falle geschmissen. RogerBernstein, unser Fachmann für die Sicherheit an Bord, ist ein echter Typ Marke Schwarzenegger. Leif wird Augen machen   …»
    «Ich glaube nicht, dass er schläft. Als ich vorhin an seine Tür geklopft habe   …»
    «…   hat er gesagt, dass er joggen war und noch eben kalt duschen will?»
    «Ja!»
    Ebba John lachte. «Das hat er früher schon immer gesagt. Wenn er abends zu viel getrunken hatte und morgens nicht aus den Federn kam, hat er gesagt, er wäre schon laufen gewesen und müsste noch kalt duschen. Das ist ein Witz von ihm. Manche Dinge ändern sich wahrscheinlich nie. Ich wette, er lag noch in den tiefsten Träumen, als du an seine Tür geklopft hast.»
    Carolin sagte nichts, vielmehr versteckte sie sich hinter ihrer Kamera. Konnte sie sich so getäuscht haben? Hatte sie all die letzten Monate, in denen sie beim
Objektiv
und somit Seite an Seite mit Leif gearbeitet hatte, ein falsches Bild gehabt?
    Leif Minnesang war humorlos und verbissen. Oder vielleicht doch nicht?
    Endlich bewegte sich das Schiff. Sehr behutsam, sehr selbstverständlich legte es ab. Die Menschenmenge unten jubelte. Kapitän Pasternak strahlte über das ganze seemännische Gesicht. Es musste ein erhabenes Gefühl sein, einen solchen Giganten zu lenken. Auch wenn er nicht hinter einem eindrucksvollen Steuerrad stand, sondern, wesentlich unfotogener, an einem spielkonsolenähnlichen Joystick herumfingerte, musste es zu den ganz besonderen Momenten eines Seemannes gehören, wenn er mit einem Schiff dieser Größe die ersten Seemeilen zurücklegen durfte. «Das Wetter ist perfekt, mäßiger Wind mit erträglichen Böen ausWesten, gute Sicht, es kann losgehen. Ahoi, meine Herren!», sagte Pasternak, ohne seinen Blick abzuwenden. Die beiden Lotsen klatschten Beifall.
    «Ahoi sagt man hier in Deutschland, ich kenne das!», antwortete Sinclair Bess. Er saß auf dem ledernen Kapitänsstuhl und steckte sich eine dicke Zigarre an. «Es ist ein wunderbares Schiff. Sie ist mein Baby! Ein Pod-Antrieb, das Neueste vom Neuesten. Er kann sich um 360   Grad drehen. Und merken Sie die Kraft der Seitenstrahlruder? So eine Power! Schiebt die ganzen dreihundert Meter Schiffsbreite einfach so von der Spundwand weg! Ich liebe es, really, I’ve totally fallen in love with it.» Dann zog er wieder an der Zigarre, wandte sich an Carolin und blies ihr den Qualm direkt ins Gesicht. «Honey, mach ein Foto von mir und Pasternak.»
    Er stellte sich breit grinsend neben den Kapitän, Carolin drückte lustlos auf den Auslöser.
    «Die
Poseidonna
ist ein Juwel. Wissen Sie, wer sie im Juni in New York City taufen wird?»
    «Ich habe keine Ahnung», antwortete Carolin höflich.
    «Meine beste Freundin Naomi Campbell. Und dann geht sie auf Reisen. Also, nicht Naomi jetzt, sondern natürlich die
Poseidonna.
Nur türkisblaues Wasser, unsere Schiffe haben es wirklich gut.»
    «Wohin wird sie unterwegs sein?» Eigentlich war Carolin gar nicht für das Fragenstellen zuständig, eigentlich war dies Leifs Job. Doch wenn der betuchte Reeder ein wenig über seine maritime Familie plaudern wollte, so musste man die Gelegenheit nutzen.
    «Die
Poseidonna
ist unser Lieblingskind. Ich habe schon von ihr geträumt, als ich noch ein kleiner Junge war. Von dieser Fontäne im Atrium, von den Pools, really, ich habe schon vor vielen Jahren eine Vision davon gehabt. Und nunsitze ich hier und schaue einem der besten Kapitäne der Welt zu, wie er sie auf den Weg zum Meer bringt. Sie bekommt die schönste Route, die man auf diesem Planeten befahren kann. Sie wird den Pazifik erobern. Los Angeles, Galapagos, Hawaii.»
    «Dann sind die Passagiere sicher einige Tage auf See unterwegs.»
    «Ja, aber es wird ihnen nicht langweilig werden. Dafür haben wir gesorgt.

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