Hallo, Fräulein!: Winterzauber (German Edition)
Alkohol und nicht die Vernunft aus mir, aber er hat irgendwie wirklich küssenswerte Lippen. Ich checke ihn schnell und dezent ab: Er ist etwa eins achtzig groß, Mitte dreißig, angeblich überzeugter Single, schlank, brünett, hat grüne Augen und er ist ein NR-Typ.
»Was darf ich den Damen bestellen?«, fragt er galant.
(Ist er nicht süß und sooo aufmerksam! Hicks … hoppla!)
»Ich werde jetzt mal den Apfelpunsch probieren«, entgegne ich rasch.
»Oh, den werde ich auch nehmen«, fügt Elvira hinzu und stupst mir dabei unsanft in die Rippen.
Elvira kennt mein Nie mehr mit einem Kollegen - Motto und meine daraus entstandene Lebenserfahrung nur allzu gut.
Der Abend war großartig. Ich habe mich prächtig mit Gerhard (wir duzen einander nun!) unterhalten. Unser Gesprächsstoff wollte einfach nicht versiegen. (Ich muss anmerken, dass ich immer etwas redselig werde, wenn ich zu tief ins Glas - in diesem Fall: in den Punschbecher – blicke!)
Elvira hat die Funken spritzende Szenerie eine Weile misstrauisch beäugt, aber dann hat sie rapide durchgegriffen. Sie hat mich flugs geschnappt, zum nächstbesten Taxistand geschliffen, ins warme Innere manövriert und nach Hause chauffieren lassen. (Dabei habe ich mit Gerhard nur ein wenig geflirtet. Ehrlich. Ich will ja nichts von ihm, er ist und bleibt doch nach wie vor mein achtbarer Arbeitskollege - auch wenn er eine Etage höher sitzt und Chefluft atmet.)
Heute ist Sonntag! Zehn Stunden Arbeit und dann siehst du mich gleich wieder – lasse ich mein kuschelig warmes Bett in einem sehr einseitigen Monolog wissen.
Die Erinnerung an den gestrigen Abend drängt sich schnell in mein Gedächtnis zurück. Ich muss Elvira für ihre Courage und für ihr Eingreifen, bezüglich Gerhard, zutiefst dankbar sein. Ich hätte wahrscheinlich einen fatalen Fehler begangen, wenn ich mit diesem Charmebolzen allein gewesen wäre.
Danke, danke, danke, Elvira!
Ich sollte unbedingt darauf achten, dass ich mich und meine Gelüste besser unter Kontrolle habe. Wäre ich mit Gerhard allein gewesen, dann wäre ich ihm bestimmt restlos verfallen. Das Getratsche hinterher im Hotel hätte mir gerade noch gefehlt, denn eines wird in dieser feinen, aber dennoch kleinen Stadt beinahe immer zur untrüglichen Gewissheit: Irgendjemand hätte uns sicherlich beobachtet. Salzburg ist in dieser Hinsicht ein Dorf und Gerüchte verbreiten sich zumeist schneller als das Lauffeuer im ausgedörrten Busch.
Ich stelle unverzüglich fest, dass ich heute ausgezeichnete Laune verbreite. Nun, ich werfe mich nach dieser erfreulichen Diagnose rasch in meine Klamotten, zupfe eilends mein Aussehen zurecht und gehe zuversichtlich in die Arbeit.
»Ich nix wissen! Nix funktionieren! Einfach aufhören!«
»Eine Spülmaschine gibt doch nicht ohne Grund den Geist auf«, höre ich die grantige Stimme unserer Hotelmanagerin bereits am Treppenaufgang trällern.
»Guten Morgen«, erwidere ich, als ich an der hiesigen Schmutzgeschirransammlung vorbeistolziere.
Unsere Abstellfläche fürs Geschirr ist wirklich ansehnlich, aber heute sollte dieser Platz nicht annähernd ausreichen, sogar am Fußboden stapeln sich mittlerweile die dreckigen Gläser und Teller, und der Nachschub an Schmutzgeschirr scheint kein Ende zu nehmen. Im Zentrum der Kulisse steht unsere hysterische Managerin und scheucht die Abwäscher in der Gegend umher. Das Service schleppt hingegen weitere Geschirrserien an. Die aufgestapelten Teller neigen sich wie der schiefe Turm von Pisa gefährlich zur Seite.
Ich will diesem Ausnahmezustand rasch entfliehen und hopse über die Geschirrberge hinweg zum Caféhausoffice.
»Ach, zum Glück bist du da«, ruft mir Tina erleichtert zu. »Wir 25 schwimmen schon seit Stunden. Die Spüle ist defekt und sauberes Geschirr ist Mangelware«, erklärt sie mir verzagt.
»Okay! Step by step! Womit soll ich anfangen«, frage ich.
»Bitte schau zuerst zur Kuchenvitrine! DIE warten wirklich schon lange, aber ich hatte einfach noch keine Zeit für sie«, ersucht sie mich flehendlich.
Ich wage mich gar nicht vor die Tür. – »DIE warten schon lange!« – ist nicht unbedingt eine beruhigende Aussage. Die Prognosen für diesen Tag stehen demnach grundschlecht. Na, da kann ich mir wahrscheinlich gleich wieder was anhören.
Ich kämpfe mich bis zur gut bestückten Kuchenvitrine vor. »Bitte schön, was kann ich für Sie tun?«, frage ich galant in Richtung der Menschenmasse vis à vis und spiegle dabei mein
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