Hallo Mister Alzheimer

dies geschieht mit zu vielen, ja ich wage zu sagen, den meisten Menschen, die mit den Symptomen und Folgen von Demenz leben. Schauen Sie uns in die Augen. Ist da ein Funkeln? Oder Niedergeschlagenheit? Hören Sie auf unsere Stimme. Gibt es da Klangvielfalt? Oder Monotonie? Schauen Sie uns ins Herz. Sind da Freude, Zufriedenheit, Selbstvertrauen, Sich-Einlassen auf die Welt? Oder finden sich da eine freudlose Existenz und wenn überhaupt, dann nur wenig Zufriedenheit, ein geringes und gestörtes, von Selbstzweifeln durchsetztes Selbstvertrauen? Besuchen Sie die Menschen in ein paar Pflegeheimen und in ein paar Gedächtniskliniken, und Sie werden sehen, was ich meine.
    Wie geraten wir in diese Klemme? Niemand möchte, dass dies geschieht. Es geschieht einfach. Einiges davon wird durch die hirnzehrenden Aspekte der Demenz verursacht. Antrieb und Zielorientierung sind kognitive Aktivitäten, die sich durch Alzheimer schwächen und zerstören lassen. Und offen gesagt gibt es zurzeit fast nichts, was wir gegen die Zerstörung von Neuronen und deren Auswirkungen auf unsere Fähigkeit, Sinn zu bewahren, tun können.
    Ein weiterer Faktor, der zu unserem Sinnverlust beiträgt, sind meiner Ansicht nach die unbeabsichtigten Folgen des liebenden und unterstützenden Verhaltens unserer Betreuungs- und Fachpersonen. Sie alle wollen das Beste für uns. Sie alle wollen, dass wir glücklich sind. Wie fördert und unterhält ihr Handeln ein weniger erfülltes Leben, das viele Menschen mit Demenz leben?
    Sie nehmen uns die kleinen Aufgaben und Jobs weg, aus denen unser Leben besteht:
    • «Keine Sorge, ich mache das für dich, Vati, und übrigens, du wirst nie wieder ein Formular ausfüllen müssen.»
    • «Hast du vergessen, deine Tabletten zu nehmen? Keine Sorge, ich installiere einen Alarm und Lämpchen, sorge für Leute, die dich daran erinnern. Du wirst nie wieder für diese Aufgabe verantwortlich sein.»
    • «Hast du dich beim Fahren verirrt? Macht nichts, von jetzt an übernehme ich das Fahren. Das Auto ist kaputt, und wir mussten es zur Reparatur nach Neuseeland schicken. Für die nächsten 30 Jahre kannst du nicht fahren.»
    Im Mittelpunkt meines Empfindens, ein sinnerfülltes Leben zu führen, steht das Gefühl, mich um mich zu kümmern, das Gefühl, ich selbst zu sein. Ich verbrachte viele Stunden in Therapie und bezahlte jemanden, um mir zu helfen, mich selbst kennenzulernen.
    Also sitzen wir da in unserem jeweiligen Zuhause, ganz in Schale geworfen, haben nichts zu tun und keinen Ort, an den wir gehen können, ausgenommen wieder ins Bett oder zum Fernseher. Wir wurden invalid gemacht. Wir haben den Zugang zu unseren Instrumenten verloren, die uns halfen, uns gut zu fühlen. Kein Job plus kein Autofahren plus wenige Freunde, multipliziert mit wenig zu tun, außer Dingen, die wir nun wirklich nicht tun möchten, ist gleich ein sinnloses Leben und eine von Tag zu Tag zunehmende minimale und nicht stimulierende Existenz.
    Diesem Phänomen entkam ich. Ich schrieb – eher zufällig – ein Buch, und am Tag seines Erscheinens dachte man, ich sei gewandter und interessanter geworden, es lohne sich mehr, mir zuzuhören. Man begann, mich anzurufen und mich einzuladen, Vorträge zu halten. Höchst tragisch ist, dass meine Mitreisenden nicht so viel Glück haben. Wie lassen sich Menschen, die mit den Symptomen von Demenz leben, dazu befähigen, ein sinnvolles und sinnerfülltes Leben zu leben? Dies ist die zentrale Frage, die Sie stellen und für sich beantworten müssen.
    Sie und ich sollten die Elemente dessen, was wir gerne tun, herausarbeiten. Was lässt uns lächeln und wobei fühlen wir uns gut? Wie können wir mehr davon bekommen und tun? Welche Art von Aufgaben muss gesammelt und erfunden werden, um unserer neugefunden Zielorientierung zu entsprechen? Wir müssen selbst herausfinden, aus welchem Grund wir die Augen öffnen. Wir wissen oder zumindest ich weiß, dass ich die Unterstützung meinerFamilie brauchen werde, um dieses Ziel zu erreichen. Die Landkarte für diese Selbsterkundung wird in meiner nächsten Antwort in diesem Buch detailliert dargestellt. Bitte lesen Sie weiter.
    Richard



48. Wie finde ich wieder einen Sinn im Leben?
    Lieber Richard,
    mit zunehmenden Auswirkungen der Symptome meiner Demenz auf meinen Alltag ist meine Freiheit, nach eigenem Gutdünken zu handeln, eingeschränkt (ich kann nicht Autofahren, kann mein eigenes Geld nicht verwalten). Mir fehlen interessante Dinge, die ich tun kann. An