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Hallo Mister Alzheimer

Hallo Mister Alzheimer

Titel: Hallo Mister Alzheimer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Taylor
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«Ich weiß es nicht.» Und auch niemand anderes weiß es, außer Ihrem Vater. Und er ist sich seines Verhaltens unter Umständen nicht bewusst. Davon abgesehen sollten Sie wissen, dass in meiner Familie eine lange und stolze Tradition von Selbstgesprächen vor und nach der Demenzdiagnose besteht. Ich vermute, Sie meinen, Ihr Vater gebe murmelnde Laute von sich, die Sie nicht verstehen können. Es ist, als führe er ein inneres Gespräch mit sich, das er selbst möglicherweise versteht, das für uns jedoch keinen Sinn ergibt, wenn wir lauschen. Es kann sein, dass er eigentlich überhaupt nichts sagt. Es sind nur zufällige Laute, produziert durch seinen Stimmapparat von einem Gehirn, das schon lange nicht mehr im Sinne eines inneren Selbstgesprächs «mit sich spricht». Es mag eine Art Summen ohne spezielle Melodie sein. Vielleicht mag er das Gefühl des Summens. Es kann sein, dass er glaubt zu kommunizieren, und er kann nicht verstehen, warum andere ihn nicht verstehen. Mit der Zeit hat er den Versuch aufgegeben, andere einzubeziehen, bringt seine inneren Gespräche aber immer noch vor, so gut es geht.
    Wir können nur Vermutungen anstellen und werden dies auch weiterhin tun müssen, bis mehr (ich würde sagen, viel mehr) psychologischeForschung abgeschlossen wurde (ich würde sagen, begonnen wurde). Forschende verwenden vergleichsweise relativ wenig Zeit und Anstrengungen darauf, das Verhaltensmuster von Menschen wie Ihrem Vater zu verstehen – nur sehr wenig verglichen mit der Zeit und dem Geld, die mit dem Versuch verbraucht werden, ein Heilverfahren für die Alzheimer-Krankheit zu finden. (Aber das ist das Thema einer anderen Antwort auf eine andere Frage.)
    Vor einigen Monaten kam nach einem meiner Vorträge ein Ehepaar zu mir. Außer uns dreien hatte fast jeder den Raum verlassen. Die beiden kümmerten sich um seine Mutter, die sich, wie sie meinten, mitten im Spätstadium der Alzheimer-Krankheit befand. «Mutti murmelte die ganze Zeit», sagten sie mir. Bisweilen war es ihnen lästig, weil es schien, als unterbräche sie dauernd ihre Gespräche. Stets konnte man sie im Hintergrund murmeln hören. Als sie eines Tages an ihrer Steuererklärung arbeiteten, führte dieses Vor-sich-hin-Murmeln zum Eklat und sie baten sie, bitte damit aufzuhören. Sie machte weiter, diesmal lauter. Schließlich ging einer von ihnen zu ihr hin, legte ihr einen Finger auf den Mund und sagte: «Pssssst!» Natürlich nahm Mutti diese Bitte gar nicht zur Kenntnis. Nach Abschluss der Steuererklärung war es Zeit fürs Mittagessen. Sie sagten Mutti, sie könne nicht zum Mittagessen kommen, bevor sie nicht für zwei Minuten still sei, und fingen an, ihr Schweigen zu messen. Dann gingen sie alle in die Küche und setzen sich zum Mittagessen hin. Obwohl die Mutter während der vergangenen zwei Jahre mit niemandem wirklich gesprochen hatte, sprach sie vor jeder Mahlzeit ein Gebet. Es war nicht klar, was sie sagte, aber alle beugten den Kopf, schlossen die Augen, hielten sich an den Händen und Mutti sagte etwas. Diesmal beugten alle den Kopf, schlossen die Augen, hielten sich an den Händen und Mutti sagte mit glockenklarer Stimme: «Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.»
    Was für eine erstaunliche Gnade, nicht wahr? Ich möchte, dass Menschen mich in ihre Gespräche einbeziehen. Ich möchte, dass sie sich mit mir unterhalten, selbst wenn sie meine Antworten nicht verstehen. Achten Sie auf mein nonverbales Verhalten, bitten Siemich, auf etwas zu zeigen, und schauen Sie, ob wir nicht eine einfachere Form des Kommunizierens einrichten können. Gehen Sie nie davon aus, ich sei nicht zu Hause, nur weil ich auf Ihr Klopfen an meiner Tür nicht reagiere. Ich bin immer noch hier, genau jetzt!
    Meine besten Wünsche für Sie und Ihren Vater und die übrige Familie auf diesem Weg.
    Richard

65. Sind all die Horrorgeschichten über Personen mit Demenz wahr?
    Lieber Richard,
    ich würde Sie nie beleidigen oder verärgern wollen, aber ich habe ein paar Freunde und Freundinnen, die schreckliche Dinge über ihre Erfahrungen mit ihren geliebten Personen mit Alzheimer erzählen. Eine sagte, sie habe von einer Frau gehört, die eines Nachts aufwachte und ihren Mann mit einer Bratpfanne über sich stehen sah, bereit, sie zu schlagen. Eine andere Freundin sagte, sie habe von jemandem gehört, dessen Frau mitten in einem Streit auf ihn losgegangen sei und ihm schrecklich das Gesicht zerkratzt habe.
    Ist es das, was mit Euch in den

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