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Halo

Halo

Titel: Halo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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und seinen tröstlichen Geruch einzuatmen. Ich fühlte mich so lebendig in seiner Gegenwart wie bei niemand anderem.
     
    Am nächsten Morgen hörten wir, dass Alice im Schlaf gestorben war. Für mich war es keine Überraschung, denn in der Nacht war ich davon aufgewacht, dass der Regen gegen mein Schlafzimmerfenster peitschte, und da hatte ich gesehen, dass ihr Geist davor schwebte. Sie lächelte und wirkte äußerst friedvoll. Alice hatte ein reiches und schönes Leben gehabt und war bereit für die Reise gewesen. Die Familie würde den Verlust am stärksten spüren. Sie hatten aus ihrer gemeinsamen Zeit nicht das Beste gemacht. Noch wussten sie es nicht, aber eines Tages würden sie eine zweite Chance bekommen.
    Ich spürte, wie ihr Geist aus dieser Welt schied, er sirrte fast vor Aufregung und Erwartung. Sie hatte keine Angst mehr, sie war nur noch gespannt auf das, was vor ihr lag. In Gedanken reichte ich ihr zum letzten Mal die Hand.

[zur Inhaltsübersicht]
    24 Nur menschlich
    Am Tag von Alice’ Beerdigung war es bewölkt. Der Himmel hatte die Farbe von Zinn, und die Erde war feucht vom Nieselregen, der in der Nacht gefallen war. Nur ein paar Trauergäste standen um das Grab herum, die Betreuer von Fairhaven und Pfarrer Mel eingeschlossen. Ihr Grab lag auf einer kleinen, rasenbedeckten Anhöhe unter einem Ahornbaum. Sie hätte sich sicher gefreut, wenn sie gewusst hätte, was ihre letzte Ruhestätte für eine schöne Aussicht hatte.
    Alice’ Hinscheiden rüttelte etwas in mir wach. Es richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf den Zweck unserer Mission, und ich beschloss, noch mehr Stunden für den sozialen Dienst freizuschaufeln. Es war nur eine kleine Geste für das große Ganze, und ich kam mir fast albern dabei vor, zumal wir ja eigentlich da waren, um die Welt vor den gefallenen Engeln und ihren dunklen Mächten zu retten. Aber es gab mir zumindest ein wenig das Gefühl, etwas beizutragen, und es half mir, mich auf das zu konzentrieren, was wichtig war. Xavier begleitete mich oft. Seine Familie hatte jahrelang freiwilligen Dienst für die Kirche geleistet, es war also nichts Neues für ihn.
    «Du musst nicht jedes Mal mitkommen», sagte ich eines Abends, als wir auf die Bahn warteten, die uns zu den Suppenküchen in Castle Heads bringen sollte.
    «Ich weiß», sagte er. «Aber ich will mitkommen. Ich finde Sozialdienst wichtig.»
    «Aber du hast so viel mehr zu tun als ich. Ich will nicht, dass du noch mehr Stress bekommst.»
    «Mach dir keine Sorgen. Ich weiß schon, wie ich mir meine Zeit einteilen muss.»
    «Hast du morgen nicht eine mündliche Prüfung in Französisch?»
    «Nein,
wir
haben eine mündliche Prüfung in Französisch – deshalb habe ich dies hier gekauft.» Er zog ein Schulbuch aus seinem Rucksack. «Wir können auf dem Weg ein bisschen üben.»
    Wir fanden ein leeres Abteil, in dem nur ein runzeliger alter Mann saß, der eingenickt war und auf sein Hemd sabberte. Zwischen seinen Füßen stand eine braune Papiertüte mit einer Flasche darin.
    Wir hatten erst ein paar Minuten in dem Französischlehrbuch gelesen, als Xavier plötzlich aufsah. «Der Himmel muss ganz schön groß sein», bemerkte er so leise, dass ich ihn diesmal nicht warnte, in der Öffentlichkeit über dieses Thema zu sprechen. «Wie viel Raum braucht man für all die Seelen? Dieses Konzept der Unendlichkeit will mir einfach nicht in den Kopf.»
    «Genau genommen gibt es sieben verschiedene Bereiche im Himmel», platzte ich heraus. Es war zwar absolut gegen unsere Regeln, aber ich wollte mein Wissen so gern mit Xavier teilen.
    Xavier seufzte und lehnte sich in seinem Sitz zurück.
    «Und das, wo ich es gerade anfing zu begreifen. Wie kann es sieben geben?»
    «Im Ersten Himmel gibt es nur den Thron», erklärte ich. «Und die Engel, die das Wort des Herrn verkünden. Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist wohnen im Siebten Himmel – das ist der höchste Bereich.»
    «Aber warum ist das so?»
    «Die unterschiedlichen Bereiche haben unterschiedliche Funktionen. Es ist ein bisschen so, wie wenn man sich in einer Firma erst hocharbeiten muss, um dem Geschäftsführer die Hand schütteln zu können.»
    Xavier massierte sich die Schläfen.
    «Ich muss eine Menge lernen, oder?»
    «Es sind einfach nur verschiedene Regeln, die man behalten muss», sagte ich. «Der Zweite Himmel ist von der Erde genauso weit entfernt wie der Erste, die Engel zur Rechten sind immer herrlicher als die zur Linken, der Zugang zum Sechsten Himmel

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