Halo
ist ziemlich kompliziert, und man muss durch die Luft reisen, um vor die Himmelstür zu gelangen – und ich weiß, dass das alles ziemlich verwirrend ist, aber du wirst schon merken, welcher Himmel welcher ist, denn die niederen Himmel sind dunkel im Vergleich zum Glanz des Siebten …»
«Hör auf!», sagte Xavier. «Hör auf, bevor mein Kopf platzt.»
«Sorry», sagte ich kleinlaut. «Es ist wohl doch schwer zu verdauen.»
Xavier grinste mich an. «Vergiss bitte nicht, dass ich nur ein Mensch bin.»
***
Xavier hatte mich eingeladen, beim letzten Spiel der Saison seines Rugbyteams zuzuschauen. Ich wusste, dass es ihm wichtig war, also ging ich mit Molly und ihren Freundinnen hin. Die Mädchen gehörten zur Bryce-Hamilton-Cheerleadergruppe, die bei Auswärtsspielen immer dabei war. Was sie so als Sportsgeist und Gemeinschaftsgefühl bezeichneten, war, wie ich vermutete, nur eine Ausrede, um Jungs in kurzen Hosen dabei zuzuschauen, wie sie auf dem Spielfeld herumrannten und schwitzten. Die Mädchen boten den Spielern außerdem während der Halbzeiten kalte Getränke an, immer in der Hoffnung, ein Kompliment oder, noch besser, eine Verabredung einzuheimsen.
Das letzte Spiel der Saison war ein Heimspiel. Ich ging mit Molly und den Mädchen zum Spielfeld hinunter. Das ganze Rugbyteam hatte sich bereits dort versammelt. Sie trugen schwarz-rot gestreifte Trikots und wärmten sich vor dem Spiel auf. Die Gegner kamen von der Middleton-Privatschule, trugen grüngelbe Trikots und standen am anderen Ende des Feldes. Sie hörten konzentriert ihrem rotgesichtigen Trainer zu, der so aussah, als stünde er am Rande eines Herzinfarkts. Xavier winkte kurz zu mir herüber, als er mich sah, und setzte dann sein Aufwärmtraining fort. Kurz bevor das Spiel begann, drängten sich die Bryce-Hamilton-Jungs zusammen, legten die Arme um die Schultern ihrer Mitspieler und sangen irgendein Motivationsmantra von der «mächtigen rotschwarzen Armee». Sie liefen auf der Stelle, ohne sich loszulassen, und warteten auf den Anpfiff des Schiedsrichters.
«Typisch», murmelte Molly. «Nichts bringt sie so in Wallung wie Sport.»
Schon nach wenigen Minuten wusste ich, dass aus mir nie ein Rugbyfan werden würde. Das Spiel war mir einfach zu aggressiv. Es bestand vor allem darin, dass die Spieler ineinanderkrachten und versuchten, dem Gegner den Ball zu entreißen. Einer von Xaviers Mitspielern rannte jetzt über das Feld, den Ball sicher unter den Arm geklemmt. Er wich zwei Middleton-Spielern aus, die ihm unbarmherzig auf den Fersen waren. Als er nur noch zwei Meter vom Tor entfernt war, warf er sich nach vorn und landete der Länge nach auf dem Boden, die Arme über den Kopf gestreckt. Seine Hände, die noch immer den Ball umklammerten, waren nur ein paar Zentimeter hinter der Linie aufgekommen, und einer der Middleton-Spieler, der ihn hatte aufhalten wollen, landete direkt auf ihm. Das Bryce-Hamilton-Team brach dennoch in Jubel aus, sie halfen ihrem Spieler auf und klopften ihm anerkennend auf die Schultern, als er zur Mitte des Spielfelds zurückwankte.
Ich hatte die Hände vor die Augen geschlagen, um nicht zusehen zu müssen, wie die beiden Spieler zusammenkrachten, als Molly mich anstieß. «Wer ist das denn?», fragte sie und zeigte mit dem Finger auf eine Gestalt, die am entgegengesetzten Ende des Spielfelds stand. Es war ein junger Mann in einer langen Lederjacke. Die obere Hälfte seines Gesichts versteckte ein Filzhut; Kinn und Mundpartie verbarg ein langer Schal.
«Ich bin mir nicht sicher», antwortete ich. «Vielleicht ein Vater?»
«Ein ziemlich merkwürdig aussehender Vater», bemerkte Molly. «Und warum steht er da so allein herum?»
Bald hatten wir den jungen Mann vergessen und schauten dem Spiel zu. Je länger es dauerte, desto nervöser wurde ich. Die Jungs waren gnadenlos, und die meisten von ihnen sahen aus wie menschliche Panzer. Mein Puls raste, und mein Atem ging stoßweise, wann immer sich einer von ihnen Xavier näherte. Es lag nun mal in der Natur der Sache, dass das ziemlich oft passierte, und Xavier war niemand, der sich ängstlich an die Bande presste, um nur ja nicht mit jemandem in den Clinch zu geraten. Im Gegenteil: Er wollte immer mittendrin sein und war mindestens so kampflustig wie die anderen. Sowenig ich Rugby auch mochte, musste ich doch zugeben, dass er ein begabter Spieler war. Er war schnell und stark, und er spielte fair. Ich sah zu, wie er das Spielfeld entlang zum Tor lief und den Ball
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